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Große Reibn

Ich möchte euch mitnehmen…mitnehmen auf eine Reise durch die Berchtesgadener Alpen; entlang der Großen Reibn.
Als Trailrunner bin ich oft relativ schnell in den Bergen unterwegs und oft auch auf unbekannten Pfaden. Diesmal sind die Pfade alle bekannt, alles beschilderte und markierte Wanderwege, aber das Ende der Wandersaison und die ersten geschlossenen Berghütten, lassen diese sonst stark begangenen Wege still und einsam erscheinen.
65,7 Kilometer und 4675 Höhenmeter in 17 Stunden. Als Wanderer sollte man für diese Tour mindestens drei Tage einplanen. Die Hütteninfrastruktur gewährleistet gute Versorgung und ein angenehmes Nachtlager.

Als ich am 4. Oktober um 4:00 Uhr meine Tour starte ist mir klar: Das wird nicht einfach, aber es wird garantiert gigantisch und die unzähligen Eindrücke, die innerhalb kürzester Zeit auf mich einwirken, werden unvergesslich.
Im Lichtkegel meiner Stirnlampe bahne ich mir den Weg vom Parkplatz am Königssee über die Königsbachalm hinauf zum Carl-von-Stahl-Haus. Einzelne schmale Wolkenfetzen lassen vermuten, dass das Wetter heute nicht so perfekt wird wie am vorherigen Tag, aber tagsüber soll es gemäß Wetterbericht trocken bleiben. Das Carl-von-Stahl-Haus ist noch dunkel, als ich an ihm vorbei zum Scheibstein aufsteige. Oben angekommen kämpft sich die Sonne langsam über die benachbarten Berggipfel in Österreich.

Sonnenaufgang am Schneibstein

Das einsetzende Morgengrauen kommt genau zur rechten Zeit, denn der Weiterweg zum Seeleinsee wird technisch etwas anspruchsvoller und ist bei Tageslicht besser zu meistern als im schummrigen Licht der Stirnlampe.
Eine himmlische Stille liegt in dem kleinen Tal zwischen Windschartenkopf und Fagstein. Auf einem schmalen Wanderweg geht es hinunter zum Seeleinsee am Fuße des Kahlersbergs.

Auf dem Weg zum Seeleinsee

Immer wieder tauchen Gämsen auf den benachbarten Gipfeln auf. Meine stillen Beobachter und ständigen Begleiter.

Meine Begleiter

Vorbei am Seeleinsee geht es hinauf zum Hochgschirr und anschließend, mit einem herrlichen Blick hinüber ins Steinerne Meer, wieder hinunter, durch das Landtal.

Am Hochgschirr

Mystisch liegt die verfallene Landtalalm im Schatten, während gegenüber die Sonne die Berge erwärmt.
Weit und breit keine Menschenseele.

Morgenstimmung an der Landtalalm

Oberhalb des Obersees geht es weiter zur Wasseralm und zur ersten Pause des Tages. Letzte Wanderer genießen ihr Frühstück, trinken ihren Kaffee aus, der Hüttenwirt der Gotzenalm schaut vorbei und für mich geht es weiter, hinauf ins Steinerne Meer.
Ein steiler Aufstieg durch den lichter werdenden Wald und mit einem Schlag befindet man sich in dieser charakteristischen Karstlandschaft.

Auf ins Steinerne Meer

Ringsum ragen die Gipfel empor und man kommt sich so klein vor in dieser unwirtlichen Landschaft. Der Blick reicht weit, aber alles was man sieht ist Stein. Vorbei an der Blauen Lacke geht es hinauf zum Steinhütterl und dann durch die Lange Gasse zum Niederbrunnsulzen; mit 2368m der höchste Punkt der Tour. Die Landschaft wird karstiger und es wird mehr und mehr deutlich, woher der Name Steinernes Meer kommt.

Schottmalhorn

Über den Niederbrunnsulzen geht es nun hinunter Richtung Kärlingerhaus am Funtensee. Steinig ist es immer noch, aber je weiter es nach unten geht, desto mehr grün blitzt zwischen den Felsen hervor und irgendwann kämpfen sich auch schon die ersten Latschenfelder nach oben.
Der Ausblick auf die Berge, die Ruhe, die Unendlichkeit, diese Menschenleere…unbeschreiblich.

Abstieg zum Kärlingerhaus

Am Kärlingerhaus angekommen gönne ich mir eine weitere Pause, bevor das härteste Teilstück der Tour auf mich wartet.
Es geht hinauf zum Ingolstädter Haus am Hundstod. Nach dem ersten Anstieg durch den Wald ist das Haus zu erkennen und doch ist es noch so unendlich weit weg und noch dazu ist es bereits geschlossen, bietet also keine Möglichkeit eine Pause einzulegen.
So geht es weiter durch das Steinerne Meer, vorbei am Hundstodgatterl, das Ingolstädter Haus immer im Blick.

Ingolstädter Haus mit Hundstod

Ein kurzer Stopp am Haus, es ist wirklich niemand mehr da, und es geht wieder hinunter, Richtung Dießbach-Stausee.
Ein schmaler Pfad zweigt nach rechts ab und führt mich nach oben, in eine absolut einmalige Landschaft. Eine Landschaft die man hier garantiert nicht erwartet: Die Hochwies.

- ohne Worte -

Einzigartig, unbeschreiblich. Man muss einmal hier gewesen sein um zu verstehen was ich meine. Eine flache Wiesenfläche, umrundet von Bergen, durchzogen von kleinen Flussläufen…gigantisch.
Hinter der Hochwies beginnt der Aufstieg zur Wimbachscharte. Gämsen und ein Adler begleiten mich auf diesem harten und mittlerweile sehr fordernden Aufstieg. Wer aufsteigt, muss auch wieder absteigen und das tue ich in diesem Fall über den Loferer Seilergraben; der anspruchsvollste Abschnitt der gesamten Tour.

Der steile Loferer Seilergraben

Durch den steilen, steinigen, mit Geröll beladenen Graben geht es hinunter, über rutschige Platten eine Flusslauf querend, ins Wimbachgries.
700 Höhenmeter anspruchvolles Gelände und am Ende lockt eine Pause in der Wimbachgrieshütte.
Durchs Wimbachgries geht es im Anschluss vorbei am Wimbachschloss zur Wimbachbrücke.
Mittlerweile hat Regen eingesetzt und dunkel ist auch schon, aber vor mir liegen nun nicht mehr viele Kilometer und verglichen mit dem heutigen Tag, nur noch ein kleiner Anstieg.
Der Regen drückt auf die Motivation während ich zur Schapbachalm aufsteige, aber die Erinnerungen an das bisher Erlebte machen die Sache etwas einfacher.

Peitschender Wind, das herabfallende Laub der Bäume und starker Regen begleiten mich auf dem Weg hinüber zur Grünsteinhütte. Aufziehender Nebel macht die Orientierung etwas schwieriger, aber nachdem ich am Abzweig, hinunter zur Bob- und Rodelbahn, angekommen bin ist klar: Jetzt geht es nur noch nach unten und diesen Abstieg bin ich in diesem Jahr schon unzählige Male gelaufen.
Ich lasse es noch einmal krachen, genieße diesen letzten Downhill und durch meinen Kopf schießen die Bilder des Tages, die unvergesslichen Erlebnisse und unbezahlbaren Eindrücke.

Als ich nach 17 Stunden und 6 Minuten am Parkplatz ankomme ist die Tour zwar zu Ende, aber die Bilder werden mich ewig begleiten.

Einen weiteren Bericht und mehr Bilder findet man auch auf meinem Blog: http://www.uptothetop.de/2ß12/10/05/grosse-reibn/

Bis demnächst auf der Großen oder Kleinen Reibn…Steve

 

Servus, mein Name ist Steve Auch und ich bin verrückt – zumindest behaupten das manche Leute von mir. Nicht jeder rennt auf und ab durch die Berge, aber wenn man einmal Gefallen daran gefunden hat, dann lässt es einen nicht mehr los. Man trifft mich aber auch durchaus mal ganz entspannt auf einer Alm, einem abgelegenen Gipfel oder am Klettersteig. Nebenbei teste ich Outdoorprodukte, schreibe Berichte, führe Interviews oder lese Bücher…natürlich immer zum Thema. Die Berge und das Berchtesgadener Land haben mich fest im Griff und werden mich sicher nie mehr loslassen.

5 Kommentare

  • klaus-otto leimbach

    Ich habe die kleine Reib´n auch schon gemacht ,muss sagen ; obwohl es schon 15 Jahre her ist, sind die Bilder dieser schönen Bergtour mir immer noch vor augen.

  • Janett

    Lieber Steve, tolle Leistung und sehr schöner Bericht. Es liest sich so einfach. Ich komme aus dem Berliner Raum und wollte die große Reibn Ende Juli mit meinem Mann wandern. Du kennst Dich ja da sehr gut aus. Vielleicht kannst du mir ja nen Tip geben, ob man die 7 Std. Etappe Steinhaus zur Wasseralm kürzer gestalten kann. Als Flachländer würde dieser Marsch uns sämtliche Kräfte für die weiteren Etappen rauben. Gleiches gilt für die letzte Etappe, da wir keine Übernachtung in der Wimbachgrieshütte bekommen haben?
    Vielen Dank und herzliche Grüße aus Berlin
    Janett

    • Steve

      Hallo Janett,
      du kannst vom Carl-von-Stahl-Haus über die Gotzenalm zur Wasseralm. Das sind dann auf jeden Fall ein paar Höhenmeter weniger, wenn du über den Hirschenlauf gehst, aber auch die ist die Etappe ziemlich lang. Wirklich abkürzen man sie nicht, außer man legt auf der Gotzenalm noch eine Übernachtung ein.
      Wenn ihr für die Wimbachgrieshütte keinen Platz mehr bekommen habt, dann könntet ihr euer Glück weiter vorne in der Ramsau versuchen. Evtl. bekommt ihr dort im Ort noch einen Platz. Hütten zum übernachten gibt es in der Nähe leider keine mehr, außer ihr nehm noch den Aufstieg zur Kühroint Alm in Kauf und übernachtet dort.

      Ich hoffe ich konnte etwas helfen…
      …notfalls einfach nochmal melden.

      Gerne auch per Email: uptothetop@gmx.de

      Viele Grüße und einen schönen Urlaub

      Steve

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