Ausflugstipps,  Berge

Wandertipp für Einsamkeitsliebhaber

Es ist ja immer etwas zwiespältig, einen ganz speziellen Tipp in aller Öffentlichkeit zu verraten. Das Ego möchte so etwas ja am liebsten ganz für sich behalten. Nachdem aber schon vor über 30 Jahren Werner Mittermeier im Plenk-Verlag Berchtesgaden darüber geschrieben hat und auch im AV-Führer des Rother-Verlages eine (leider nicht sehr hilfreiche) Tourenbeschreibung publiziert wurde, wollen wir den Bergfreunden diese schöne und (zumindest bisher 😉 sehr einsame Wanderung nicht verheimlichen. Nachdem sie recht lang, ziemlich anstrengend und gelegentlich nicht ganz leicht zu finden ist und es kein vernünftiges Einkehrziel unterwegs gibt, sollte sich der „Massenansturm“ auch nach diesem Blogbeitrag aber doch in Grenzen halten …

Weg zum Aibe
Am Alpelbach entlang zum Aibe

Nach langer Rede: Es handelt sich um den Alpelboden, das „Aibe“, von dem wir erstmals bei besagtem W. Mittermeier gelesen hatten – einem in BGD nicht ganz unbekannten Fotografen und Buchautor. Viele Jahre stand diese Wanderung bei uns auf dem Programm, aber nie wurde etwas daraus. Nachdem hier auch kein Gipfelziel lockt, ist es doch eine eher „introvertierte“ Unternehmung. Nun aber schien die Gelegenheit günstig zu sein, und wir entschlossen uns, dieses entlegene Ziel einmal zu suchen. Und wir mussten es wirklich suchen! Im Internet keine vernünftige Beschreibung, Freund Mittermeier erzählt hübsch und blumig von den Vögeln und der Ruhe, und der AV-Führer beschreibt in bewährter Weise in 2 kernigen Sätzen, die uns im Zusammenhang auch mit den besten Karten (die uns aber leider den besten Weg verheimlichen) ins Abenteuer lockten. Von der Kammerlingalm zum Alpelbach, dann allgemein am Bach aufwärts … so ähnlich lautet die Beschreibung. Gesagt, getan! Wir kamen vom Wanderparkplatz Hintertal oberhalb Weißbach (A) und mussten uns erst einmal den Zustieg zum Alpelbach durch teils steilen Wald suchen, da viele Forststraßen auf den Karten gar nicht eingezeichnet sind. Im Bachbett angekommen machten wir uns „an die Arbeit“: Über riesige Blöcke und teils feuchte, rutschige Passagen kämpften wir uns im wahrsten Sinn des Wortes empor, einen auch nur angedeuteten Steig fanden wir weder im noch neben dem Bachbett. Landschaft wildromantisch, das Wetter nicht ganz so gut wie erhofft. Das Gelände neben dem Bach durch „erfeulich“ sperriges und kratziges Unterholz geprägt. Und W. Mittermeier bezeichnete das im Buch als eine seiner Lieblingstouren – seltsam.

Weg durch das Geröll
Weg durch das Geröll

Es wurde steiler und irgendwie mussten wir den Bach verlassen. Über erdiges Steilgelände und rutschiges Geröll arbeiteten wir uns weiter hoch, immer den uns am besten erscheinenden Möglichkeiten folgend, manchmal auch ein wenig kletternd. Das Wetter wurde trüber und unsere Begeisterung sank zunehmend. Ein paar gelbliche Bäume, viele dunkle Latschen und vor allem graue Felsen – das soll ein toller Herbstgang sein?

Nach langem Gesteige in dieser Art – kein Steinmännchen weit und breit –  bemerkten wir so etwas wie eine Wegspur im Geröll. Im Gegensatz zu vorherigen Andeutungen von Steigspuren, die dann doch wohl Tierpfade waren, schien sie diesmal auch weiter zu führen und leitete durch ein Latschengestrüpp zu einem idyllischen Patz am Bach mit einem wunderschönen Steinmann 🙂

Aufstieg
Aufstieg

Nach ausgiebiger Rast und steigendem Stimmungsbarometer – so ganz falsch konten wir ja doch nicht sein! – ging es erstaunlich leicht weiter auf einem winzigen, aber durchaus erkennbaren Pfad, der uns sogar durch ein paar Stoamandl erfreute. Einige Abbrüche wurden so umgangen, und – wir glaubten es kaum – schneller als erwartet betraten wir die riesige, eindrucksvolle Arena des Alpelbodens, die uns ein wenig ans Sittersbachtal und an den Hochwieskessel erinnerte. Jetzt waren wir doch beeindruckt, obwohl die Wolken arg düster herum zogen. Ein wenig Sonne am Hochkammerlinghorn, das mit gewaltigen Wänden über uns aufragte, das selten bestiegene (warum wohl?) Alpelhorn aber in der Wolke, ein eisiger Wind – eine tolle Umgebung war aber schon zu erkennen.

 

Alpelboden
Alpelboden

So suchten wir uns erst einmal ein windgeschütztes Plätzchen für die Brotzeit und warteten die Wetterentwicklung ab. Brot und Apfel schmeckten, ausnahmsweise hatten wir anstatt der sonst üblichen Müsliriegel eine richtige Jausn mitgenommen. Denn: Es war ja nur eine „kleine Herbstwanderung“! Und tatsächlich: Die Wolken verzogen sich zunehmend, grandiose Felswildnis überall über einer in ihrer Kargheit beeindruckenden Karmulde, ein zerrissenes Alpelhorn, eine himmelstrebende, etwas solider aussehende Felsmauer zu Kammerlinghorn und Hocheisspitze über uns und ein schöner Ausblick aus dem Hochtal in die Leoganger Steinberge und zum Hochkranz – das war alles doch sehr beeindruckend und schön. Das Wetter wurde immer besser (die Stimmung auch!) – und so machten wir uns in guter Hoffnung an den Abstieg, jetzt einen besseren Weg zu finden.

Abstieg
Steile Felswände zum Kammerlinhorn und zur Hocheisspitze

In lustigem Zick-Zack ging’s zurück zu unserem Pausenplatz am Bach, kein Premiumweg, aber doch gut erkennbare Steigspuren. Dann wurde es spannend. Wir folgten dem jetzt tatsächlich besser sichtbaren Weg, der über gewaltige, steile Schutthalden leitet, manchmal etwas heikel durch ausgewaschene Erdrinnen – immer aber gut sichtbar und gangbar. Immer weiter entfernten wir uns von unserer abenteuerlichen Aufstiegsroute, querten weit nach rechts bis unter die Felsen der großen Abbrüche. Zweimal verloren wir kurz den Pfad im raschelnden Laub, gingen wieder etwas zurück und – siehe da, wir hatten eine schlecht erkennbare Kehrtwende übersehen. So ging’s lang auf und ab unter den Felswänden dahin, jetzt auch in buntestem Herbstlaub, später durch wunderschönen Hochwald mit moosigem Boden. Spannend dann das Ende dieses Weges: Wir erreichten die Kammerlingalmen auf einem Forstweg, der an ihrem östlichen Ende vor dem Wald ansteigend abzweigt und nach der 2. Kehre mit einem unübersehbaren Steinmann den Beginn des Pfades markiert, der wirklich angenehm ins „Aibe“ leitet. Das nächste Mal wissen wir’s! Fazit: Emfehlenswert, wenn man auf einen Gipfel verzichten  (außer man ist so „gach“, dass man sich zum Alpelhorn durchschlägt), Bescheid weiß und ein wenig genau hinschauen kann. Jetzt verstehen wir auch den Werner Mittermeier

Herbst in den Berchtesgadener Bergen
Kematenschneid und Seehorn

Und dann fiel uns noch auf, dass sich der Herbst so langsam verabschiedet: Die Lärchen werden gar nicht mehr richtig gelb, die Nadeln fallen schon vorher ab, das Laub der Buchen und Ebereschen wird trocken und braun … es wird nicht mehr lange dauern und alles ist dick mit Schnee bedeckt.

Seit 1958 (Wahl-)Reichenhaller, dazwischen längere Auslandsaufenthalte (Brasilien, Chile, München, Ulm, Berchtesgaden;-) – zuletzt wieder ansässig im Bayerischen Staatsbad. Viele Jahre als »Medizinmann« in Rehakliniken, jetzt nur noch gelegentlich, dafür umso mehr mit Ehefrau Brigitte in den Bergen unterwegs. Im März 2013 haben wir gemeinsam einen Tourenbildband »Bergerlebnis Berchtesgadener Land« mit dem Bruckmann Verlag München herausgegeben: Begeisterung für die herrliche Natur unserer Region, Erinnerung an eigene Touren und Anregung für neue Unternehmungen wollen wir damit vermitteln – und vor allem Freude bereiten!

8 Kommentare

    • Michael

      Wir waren ziemlich gemütlich etwa 6 1/2 Stunden unterwegs, darin enthalten ist aber die beschriebene, etwas zeitaufwändige Suche nach dem richtigen Zustieg. Wenn man gleich richtig geht, dürften es so 5 Stunden Gehzeit sein. Wirklich eine wunderschöne Wanderung!

  • Michael

    Wunderschön. Danke für den Bericht. Wird in die ToDo-Liste aufgenommen. War schon vom Forstbegangsteig, ohne Gipfel, trotzdem positiv beeindruckt.

    Im Text habe ich 3 Fehler gefunden…
    – gelegeneltich (Satz 4)
    – durch teils stielen Wald (ziemlich mittig im Text)
    – Beschied (knapp über dem letzten Bild)

    • Michael

      Danke für die lobenden Worte – das freut einen natürlich. Die Fehler werden schnellstens eliminiert! Es gibt halt soooo viele Tasten auf dem PC und Buchstaben verdrehen ist eine meiner Spezialitäten 😉

    • Michael

      Servus Fredrika! Der Hochgang liegt uns auch schon geraume Zeit auf dem Herzen. Hatte auch schon Dein Bild davon gefunden. Werden wir wohl mal angehen müssen 😉
      Grüße aus R’hall

  • Rainer

    Ich finde es echt schade, dass auch die letzten unberührten und einsamen Winkel im Internet veröffentlicht werden müssen, Und dann auch noch der seltsame Kommentar über die „zumindest bisher sehr einsame Wanderung“. Leute, wann begreift Ihr endlich, dass so auf Dauer auch die letzten schützenwerten Natur- und Bergidylle zerstört werden und ihr Charakter verloren geht?
    Wenn Ihr solche Steige kennt und begeht, dann behaltet das bitte für Euch und veröffentlicht es nicht weltweit.
    Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass durch solche Berichte auch dem eigenen Ego geschmeichelt werden soll …

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