Aufstieg Riemannhaus
Berge

Almer Wallfahrt Teil 1 – der Sonne entgegen

Landschaftswechsel ins Funtenseegebiet
Die Almer Wallfahrt auf dem Weg zum Funtensee

Es ist drei Uhr morgens, es ist kühl und es herrscht Trubel am Königssee wie Mittags an einem warmen Sommertag. Busse kommen und gehen, Menschen stürmen dorthin, wenig Rücksicht wird genommen, jeder will einen Platz im Bus ergattern. Ja, ich bin richtig! Heute startet die Almer Wallfahrt und um drei Uhr morgens fahren Zubringerbusse für 12 € nach Maria Alm. Toll, das so etwas angeboten wird! Um viertel nach drei sitze ich dann auch endlich in einem der Busse und es wird über das Wachterl bei Ramsau nach Maria Alm gefahren. Die Fahrt dauert fast eineinhalb Stunden. Ein Bus ist eben auch kein Schnellzug. Im Bus sitzen Pilger, die alleine unterwegs sind, aber auch viele Paare und Gruppen. Ein Gruppe junger Männer ist auch dabei, welche aber wohl die Almer Wallfahrt mit dem Partybus nach Mallorca verwechselten. Neben mich setzt sich ein Mann mittleren Alters. Er erählt mir, dass er sich spontan mit seiner Ehefrau für die Almer Wallfahrt entschied. Trotz, dass er gerne in den Bergen ist, ist das die erste Bergtour in diesem Jahr. Gesprächig bin ich selbst an diesem Morgen nicht, denn ich bin unheimlich übermüdet und es könnte jederzeit sein, dass mir die Augen zufallen.

Endlich kommen wir in Maria Alm an. Viel sehe ich nicht von dem Ort, denn es ist noch zappenduster. An einem Hotelparkplatz werden wir rausgelassen und müssen uns nun anstellen für eine Kasse bei der man Tickets für die Schifffahrt und das Zubringertaxi zum Startplatz bekommt. Da ich nicht besonders groß gewachsen bin, kann ich leider nicht überblicken wie lange die Schlange ist. Wie sich dann hinterher herausstellt, habe ich mehr als eine Stunde für die Tickets angestanden. Schon während des Wartens überfiel mich wieder die Müdigkeit. Auch wenn die Kälte um meine Beine das Beste tat mich wach zu halten. Nur stehen und keine Bewegung lässt den Kreislauf in die Tiefe sinken. Kurzzeitig überlegte ich sogar zurück zu den Berchtesgadener Bussen zu laufen und zu fragen, ob sie mich mitnehmen. Aber jetzt stehe ich so mittendrin in der Schlange, sodass es kein zurück mehr gibt für mich.

Ich schaue zum Himmel hinauf und erkenne auch sogar ein bisschen die Umrisse der Berge. Das steinerne Meer – so nah und doch so fern. Und siehe da! Lichter am Berg. Die anstehende Menge vermutet dort Pilger im Aufstieg zum Riemannhaus. Faszinierend und beeindruckend schaut das aus.
Ich persönlich kenne die Wegstrecke von Maria Alm zum Riemannhaus noch nicht. Während der Wegverlauf vom Riemannhaus durch das atemberaubende Karstplateau des steinernen Meeres zum Kärlingerhaus und St. Bartholomä mir sehr wohl gut bekannt ist. Wie der Aufstieg zum Riemannhaus sein wird, bleibt dann eine Überraschung für mich.

Endlich ist es soweit, ich komme an der Kasse an und kann mir meine Tickets kaufen. Schnell rein in die Zubringertaxen und los gehts im Dunkeln durch das nirgendwo. Ich muss sagen, dass ich mich zwar geschichtlich über die Almer Wallfahrt informierte, aber nicht über den tatsächlichen Ablauf beziehungsweise die Organisation. Mittlerweile bin ich so müde, dass ich insgeheim hoffe, dass das Taxi mich direkt zum Riemannhaus bringt. Man könnte schon fast annehmen, das Anstehen, Bus und Taxi fahren ist schon Buße tun und wallfahren.

Endlich! Endlich angekommen in „Sandten“. Sowas wie ein Wanderparkplatz. Endlich sieht man die steile Wand vor einem, einen Teil der Materialseilbahnstütze und den Sommerstein, auch Eule genannt. Ihr werdet anhand der Fotos schon erkennen, warum der Sommerstein auch Eule genannt wird. Ich schaue mir eines der Wegeschilder an. Zeitangabe drei Stunden – das geht ja noch. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich gerade blau und schwarz verwechsle, aber das schaut so aus als hätte der Aufstiegsweg eine schwarze Markierung. Schwarze Markierungen kenne ich in den Berchtesgadener Bergen nur von luftigen Klettersteigen. Mit Müdigkeit verliert man an Konzentration und so hoffe ich im ersten Moment, dass ich blau und schwarz verwechselte. Nächstes Wegeschild – wieder schwarz. Also gut, da muss ich durch, andere sind auch müde. Ein paar Pilger eilen an mir vorbei. Schaut so als hätten sie das Ganze mit einer Sportveranstaltung verwechselt. Was soll’s! Auf der Forststraße laufe ich mein eigenes Tempo. Mittlerweile ist es schon hell und es dauerte fast drei Stunden bis ich wirklich aufsteigen konnte. Das wird knapp mit der Bergmesse um 8 Uhr am Riemannhaus.

Ständig schaue ich mir die Wand vor mir an und versuche den Wegverlauf zu finden. Und endlich sehe ich was, bunte Punkte in der Wand. Aha da geht’s also entlang.

Bald findet die sich in Kehren windende Forstraße ein Ende und es wird zu einem Pfad. Aber nicht lange. Der mit der schwarzen Markierung versprochene Steig beginnt und ich bin echt überrascht! So einen freundlich (!!!) hergerichteten Steig habe ich noch nie gesehen. Durchgehend seilgesichert, kaum lockere oder lose Steine. So leicht wie mir fällt der Steig nicht jedem, so stehe ich nun im Stau. Stau wie bei der Münchner Ostumfahrung. Mir macht das nichts, ich habe den ganzen Tag Zeit und so nutze ich das Stehen für das Fotografieren und Landschaft genießen.

Aufstieg Riemannhaus
Aufstieg Riemannhaus
Aufstieg Riemannhaus
Aufstieg Riemannhaus

Auf einmal geht es flott weiter. Was ist denn nun passiert?! In schnellen Schritten geht es hinauf. Zwischendurch ärgerne ich mich über meine Stöcke, die wären nicht von Nöten gewesen. Wichtiger ist hier der Einsatz der Hände. Heute bin ich nur mit einem Laufrucksack unterwegs. Diese sind kompakt und nah am Körper und belasten kaum meinen Rücken.

Bergmesse Riemannhaus
Aufstieg Riemannhaus
Aufstieg Riemannhaus
Auftsieg Riemannhaus

Das Riemannhaus kommt in Sichtweite genauso wie die versprochene „Eule“ (Sommerstein).
Am Horizont erkenne ich, dass die Sonne mich oben erwarten wird. Die letzte Müdigkeit wird aus den Beinen gestiegen.

Endlich am Riemannhaus angekommen. In meinem Gesicht macht sich ein fettes Grinsen breit. Wer würde bei dieser Aussicht nicht grinsen. Ich laufe um die Terrasse um zur Bergmesse zu gelangen und bin geschockt. Vor lauter bunt gekleideter Menschen sieht man den Untergrund beziehungsweise Fels kaum noch. Es wurden Lautsprecher aufgestellt, damit jeder die Predigt hört. Nebenan haben sich die Musiker aufgereit.

Bergmesse Riemannhaus
Bergmesse Riemannhaus
Bergmesse am Riemannhaus
Bergmesse am Riemannhaus
Riemannhaus und Sommerstein
Riemannhaus und Sommerstein

Und siehe da! Ich erkenne ein mir bekanntes Gesicht. Pater Kajetan ist heute auch mit von der Partie. Sobald die Messe vorüber ist werde ich zu ihm gehen, vielleicht können wir zusammen weiter laufen. Aber zuerst geht es um einfache menschliche Bedürfnisse. Ich muss zur Toilette. Dringend! Wie es eben bei Großveranstaltungen ist, gibt es auch auf dieser Toilette eine lange Schlange und dann auch noch eine defekte Toilette. Jemand aus dem Hüttenteam des Riemannhauses schaut vorbei und klärt darüber auf, dass die Toilettenspülung nicht mehr funktionstüchtig sei, aber man trotzdem zur Not es nutzen kann. Die Dame vor mir nutzt diese Toilette und kommt raus und sagt man drüfe bei der Nutzung dieser Toilette nicht empfindlich sein. Ich bin als nächstes dran, also rein in diese Toilette. Wie schlimm kann es schon sein, ich kann auch im Freien oder auf Plumpsklos. Gut, nun verstehe ich was die Dame mit nicht empfindlich sein meinte. Da hat sich vorher jemand übergeben und die Hinterlassenschaft ist deutlich zu sehen und zu riechen.

Nach dem Toilettenabenteuer geht es nun zu Pater Kajetan. Auf dem Weg zu ihm habe ich schon meinen „Leib Christi“ erhalten. Er freut sich mich zu sehen und bietet an, dass wir nun zusammen weiter laufen. Und wie auf Kommando setzt sich die Masse in Bewegung und wir werden auseinander gerissen. Er ruft noch einmal nach mir, doch es ist kein Durchkommen mehr. Heute sollen bis zu 2.500 Menschen unterwegs sein. Wer da zusammen bleiben will, sollte sich bei den Menschenaufläufen am Riemannhaus an der Hand nehmen.

im steinernen Meer
im steinernen Meer

Na gut, dann laufe ich eben wieder alleine. Nach einem anfänglichen Stau geht es wieder zügig voran. Hinter mir läuft ein nettes Ehepaar, dass das erste Mal in den Berchtesgadener Alpen unterwegs ist. Die Beiden sind von dieser Kulisse begeistert und des gibt ein paar Geologische und Geographische Informationen von mir. Wir unterhalten uns aber auch über tiefgründige Themen aus dem Leben und bin selbst überrascht, dass nun die spirituelle Wirkung der Wallfahrt eintritt. Passend dazu, haben sich Musiker eine Stelle im steinernen Meer gesucht und nun hallen sanfte Töne durch diese bizarre Landschaft.

einzigartige Szenerie - Musiker im steinernen Meer
einzigartige Szenerie – Musiker im steinernen Meer

Wow, kitschig, traumhaft, unwirklich. All das beschreibt wie sich diese Szenerie dem Wallfahrer eröffnet. Dass in diesem Moment, gerade an die 2500 Menschen berührt und sich beseelt fühlen empfinde ich in keinem Moment als störend. Von dem netten Ehepaar trenne ich mich nun. Die Beiden wollen sich noch länger an dieser unwirklichen Szenerie satt sehen. Für mich geht es nun weiter und komme mit einer Frau ins Gespräch. Schon wieder sind die Gespräche in keinster Weise oberflächlich sondern sehr tiefgründig. Ob dies im Tal oder in der Stadt auch so wäre? Ich bezweifle es!

Ich bin mittendrin in der ältesten Hochgebirgswallfahrt Europas. Meine erste Wallfahrt. Besonders christlich oder fromm bin ich nicht eingestellt. Ich bin für alle Religionen offen und jede Religion übt eine gewisse Faszination aus mit ihren Eigenheiten.

Hier im steinernen Meer, meinen Garten Eden, ist die Landschaft unbeschreiblich schön. Natürlich könnte ich hier ewig philosophieren wie schön und toll es hier ist. Aber das müsst ihr selbst erleben! Das MUSS man gesehen haben. Auch wie in dieser fast schon menschenfeindlich wirkenden Region gibt es tatsächlich Schaafe, die hier den Sommer verbringen.

die Schönfeldspitze zum greifen nah
die Schönfeldspitze zum greifen nah

Bald schon verändert sich die Landschaft. Von bizarr hellgrau zu satt grün. Die Region um den Funtensee wird erreicht.

Landschaftswechsel ins Funtenseegebiet
Landschaftswechsel ins Funtenseegebiet

Zu den technischen Gegebenheiten des Weges kann ich sagen, dass der Weg wirklich schön zu gehen ist. Zwischendurch auch sehr einfach. Trotzdem ist Leichtsinn hier fehl am Platz!

Ein letzter Stau und man kommt bei der Hütte oberhalb des Funtensees an. Hier wurde der Almsegen vergeben. Doch leider kam ich hier zu spät an. Ich höre wieder meinen Namen rufen. Pater Kajetan winkt mich zu sich. Wir gehen zusammen zu der Holzhütte von Polizei und Zoll. Ich freue mich auf eine kalte Limo. In der Hütte bestelle eine Limo und was bekomme ich als Antwort „es gibt nur Bier“. Na super! Kaum was im Magen und dann Bier, da bin ich ja gleich betrunken. Mit einem Gesitlichen unterwegs zu sein, eröffnet einem viele freundliche Menschen. Aber auch kesse Sprüche was denn der Geistliche mit dem jungen Mädchen im Minirock macht.

kurz vorm Funtensee
kurz vorm Funtensee
Almsegen kurz vorm Funtensee
Almsegen kurz vorm Funtensee

Nachdem ich fast einen Liter Wasser aus dem Brunnnen vor der Polizeihütte trank, teile ich mir mit dem Kaplan ein paar Wiener. Wir müssen weiter, sagt er mir. Zur Funtenseealm, der Brennhütte der Schnapsbrennerei Grassl. Was mich dort erwartet ist mir klar. Schnaps, Schnaps, Schnaps. Nach dem dritten Schnaps den man mir in die Hand drückte ist dann Feierabend. Ich bin zwar nicht betrunken, aber spüre, dass ich nicht mehr nüchtern bin. Gegenüber lockt das Kärlingerhaus, die letzte Station bevor es an den Abstieg geht nach St. Bartholomä. Heute bleibe ich für den Rest des Tages mit Kaplan Kajetan zusammen. Wir trinken und lachen zusammen und unterhalten uns mit lieben Menschen.

Bald mehr lesen über meine Erfahrung Almer Wallfahrt in „Teil 2 – Oktoberfestzeltstimmung am Kärlingerhaus“

Eure, Ann-Kathrin

Im Winter 2013 verlies ich Familie und Freunde im Südhessischen Viernheim um als Nationalparkmitarbeiterin im Berchtesgadener Land zu leben. Endlich konnte ich meinen Traum wahr werden lassen! Direkt vom Elternhaus rund 600km in die Berge ziehen, was für andere vielleicht ein gewagter Schritt wäre, war für mich das Ende der Sehnsucht. Das Berchtesgadener Land - die Sehnsucht dorthin verspürte ich permanent über Jahre. Ich hörte die Berge nach mir rufen. Bekannt ist mir das Berchtesgadener Land seit ich drei Jahre alt bin, da der beste Freund meines Opas aus Anger ist. So entstand die Verbindung. Mit 24 Jahren gab ich dem Ruf der Berge nach, Koffer gepackt und ab ins Berchtesgadener Land. Ich lebe dort wo ich früher Urlaub machte. Ein lebendiger Traum! Meine Freizeit verbringe ich fast ausschließlich in den Bergen. Nach Feierabend sich an einem sonnigen Tag einfach hinlegen - für mich unmöglich! Ob nun gemütliche Feierabend-Wanderung, Bergwanderung oder Hochtour. Je nach Zeit und Wetterlage mache ich alles. Natürlich fragt man sich mit wem ist denn das "Venema"-Mädel unterwegs? Alleine! Alleine in den Bergen unterwegs zu sein, ist im Kopf vieler zu negativ behaftet. Oft mache ich alleine die interessantesten Begegnungen. Und darum wird es auch in meinen Berichten gehen - Begegnungen am Berg. Mittlerweile bin ich auch in den Printmedien zu finden: "Das Wanderbuch bayerische Hausberge" ISBN-13: 978-3-86246-527-9 Erschienen im Bruckmann Verlag München Auch bei Lesungen der Berchtesgadener Land Autoren bin ich mit dabei. Mehr Infos: http://bgl-autoren.de/

4 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert