am Hundstodgatterl
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Welcome to the moon – unsere Reise zum Mond!

Steppenlandschaft
Steppenlandschaft

Wem das Shuttle zum Mond zu teuer ist, für den habe ich eine kostengünstige Alternative: das steinerne Meer! Einer der wenigen Plätze in denen man sich so abgeschieden und weltfremd fühlt.

Meine beste Freundin aus Mannheim ist für ein paar Tage bei mir zu Besuch. Grund war nicht nur der Erholungswert sondern auch mein gut besuchter Vortrag am 3. Oktober im Haus der Berge. Für unsere Reise zum Mond mieten wir kein teueres Shuttle, sondern wir nutzen den öffentlichen Personennahverkehr. Mit der Linie 846 fahren wir bis Wimbachbrücke. Bevor es dann los geht zu unserer Expedition wird am neuen Geldautomaten am Parkplatz der Geldbeutel gefüllt (ganz umsonst ist die Reise zum Mond natürlich nicht).

Die Wimbachklamm lassen wir links liegen (wusstet ihr, dass das Trinkwasser der Berchtesgadener hier entspringt?!). Unsere Trekkingstöcke stellen wir ein und schon kann es los gehen. Schnellen Schrittes wollen wir die Wimbachgrieshütte erreichen. Laut gelben Wegesschild dauert es bis zur ersten Trink- und Esstation drei Stunden. Unser Ziel ist die Hälfte der Zeit. Meine Freundin betreibt Kraftsport, somit habe ich auch eine starke Begleitung für die Tour. Zwar ist es Montag und schon fast Nebensaison, aber trotzdem sind hier einige Wanderer unterwegs. Gut, wir sind aber auch eigentlich zu spät los für solch eine lange Tour. Erst um kurz vor halb 11 starteten wir.

Zwei junge Frauen, sportlich gekleidet (und nicht minder attraktiv) gehen schnellen Schrittes nebeneinander durch das Wimbachgries – das fällt auf! Dementsprechend können wir uns auch Sprüche wie „Sind Sie von der Firma eilig?“ anhören. Mein Konter: „Nein, wir sind von der Firma sportlich!“. Mittlerweile höre ich schon sehr lange solche Sprüche. Wieso kann sich das so mancher nicht einfach verkneifen? Wieso kann nicht jeder so gehen wie er will? Ist doch eigentlich egal, so lange man niemanden anderes gefährdet? Wir sind doch der Freiheit wegen in den Bergen und nicht weil uns andere etwas vorschreiben wollen! Für die Reise zum Mond muss man eben schnell unterwegs sein!

im Wimbachgries
im Wimbachgries

Zeitlich im Plan kommen wir bei unserer ersten Station, der Wimbachgrieshütte an. Auf dem Weg dorthin haben wir uns mit etwas ausgetrockneten Datteln gedopt. „Das sind Energiespender!“, sagt meine Freundin voller Überzeugung. Davon merke ich nichts. Zu dem Zeitpunkt unserer Reise zum Mond bin ich leider etwas geschwächt durch eine Angina. Dank der Pharmaindustrie kann ich einigermasen funktionieren (Bitte keine Meinungsäußerungen dazu, jeder wie er will). Bei der Wimbachgrieshütte dopen wir uns mit Suppe, Kaskrainer, Kartoffelsalat, Speckbrot und Kuchen. Das tut gut! Die Dattel-Weltraumnahrung heben wir für später auf.

Das Wetter ist einfach traumhaft! Der Himmel ist blau, die Sonne wärmt einen Hauch. Hier verweilen wir – lange! Als wir uns dann nun endlich auf den Endspurt machen gibt es nochmals einen Kommentar eines anderen Wanderers: „Sind Sie sicher, dass Sie noch weiter gehen wollen? Um 19 Uhr wird es dunkel!“ Sicher, war das nett gemeint, aber bei mir kommt solch eine Aussage einfach anders an. Ich bin eine erwachsene Frau und weiß wohin ich meine Begleitung führe und welche alpine Gefahren bestehen und wie damit umzugehen ist. Außerdem habe ich eine erste Hilfe Ausrüstung dabei und ein Ersthelferseminar absolviert. Wikipedia würde dem besorgten Mann natürlich Recht geben: „…. Der Weg durch das Steinerne Meer ist lang und sehr gefährlich, insbesondere bei schlechter Sicht etwa durch Nebel haben sich hier schon viele verirrt…“ Von der Wimbachgrieshütte haben wir nun 5,5 Stunden vor uns bis zu unserem heutigen Tagesendziel.

Das steinerne Meer und das Wimbachgries lassen das Herz eines jeden Geologen und Hobby-Mond-Expeditionisten höher schlagen. Das Wimbachgries ist der längste Schuttstrom der Nordalpen. Hier zerfließen die Berge. Das Wimbachgries ist das Paralleltal des Königssees. Nur, dass sich hier die Gesteinswände nicht so gut gegen die Erosion durchsetzen konnten. Das steinerne Meer ist wie der Name schon sagt, ein deutlich sichtbares Überbleibsel eines Urzeitlichen Meeres. Hier kann man die sogenannten Kuhtrittmuscheln entdecken und über wellenförmiges Gestein steigen oder einfach in den vielen Löchern die man umsteigen muss Wanderstöcke, Gürteltaschen etc. vorfinden…

Für uns geht es nun noch bis zum Ende des Schuttstromes und in stetigen Kehren hinauf zum Trischüblpass. Was nichts anderes bedeutet wie ein Übergang. Denn von dort kann man auch abwärts über die Sigeretplatte nach St. Bartholomä steigen oder nochmals hinauf zum imposanten Hirschwieskopf mit einer Traumaussicht! Wir steigen rechts hinauf am Trischüblpass in Richtung Ingolstädter Haus über Hundstodgatterl. Schon hier wird der Einsatz der Hände nötig!

Auf dem Weg zur Hundstodgrube
Auf dem Weg zur Hundstodgrube

Bevor wir zum Hundstodgatterl gelangen müssen wir erst zur Hundstodgrube hochsteigen. Dabei passieren wir auch Garten Eden bevor wir dann zum Mond gelangen. Während des Aufstieges ist es sehr oft von Nöten auch mal die Hände zum Einsatz zu bringen. Das erleichtert die Steilheit und das Gehen wird sicherer.

am steinernen Meer "kratzen"
am steinernen Meer „kratzen“
auf dem Weg zum Hundstodgatterl
auf dem Weg zum Hundstodgatterl

In der Hundstodgrube wird das Gehen wieder einfacher und angenehmer. Selbstverständlich lässt die Kraxelei bei dem man auch mal die Hände nutzen muss, das Herz eines jeden Bergsteiger höher schlagen. Ich bin auch lieber in solchen Regionen unterwegs als auf einer Forststraße. Teilweise zwicken solche steilen Forststraßen mehr in den Waden als so mancher Bergsteig. Bald sind wir ganz nah am Hundstodgatterl. Der große Hundstod ist unser ständiger Begleiter und auch das Landschaftbild hat sich stark verändert. Wir sind endlich auf dem Mond!

in der Hundstodgrube
in der Hundstodgrube
Blick zum Hirschwieskopf
Blick zum Hirschwieskopf

„Ganz schön trist hier auf dem Mond!“, findet meine Freundin. Ich selbst habe mich schon letztes Jahr in diese bizarre Landschaft verliebt und seitdem zieht es mich immer wieder hierher. Auf dem Weg zum Hundstodgatterl begegnen wir einem Mann. Schweißgebadet erzählt er uns von seinem Monderlebnis über das Hundstodgatterl. Der Weg sei so anspruchsvoll, dass dieser eine schwarze Markierung verdiene.

Markant: die Watzmannsüdspitze
Markant: die Watzmannsüdspitze

Nachdem ich mich mit dem Mann unterhielt und ihm den Abstieg zur Wimbachgrieshütte erläuterte, geht es für uns weiter bergauf. Wir fragen uns natürlich, ob der Bergsteiger übertrieben hat oder seine Entsetztheit begründet ist. Wir lassen uns überraschen! Auf dem Mond ist alles möglich!
Endlich begegnen uns am Hundstodgatterl wieder Wegeschilder, die uns darauf hinweisen, dass wir in eineinhalb Stunden die Mondstation Ingolstädter Haus erreichen. Erst gehen wir auf einem schönen Pfad und dann kommt es doch so wie es unser Mondexpeditionist, der uns zuvor begegnete, prophezeite. Ein anspruchsvoller, ungesicherter Steig.

am Hundstodgatterl
am Hundstodgatterl

Die Stöcke lassen wir neben uns baumeln und es wird bergauf gestiegen mithilfe unserer Hände. So mancher Stein muss dann auch umarmt werden – das ist wahre Liebe! Das Landschaftbild, das sich uns eröffnet ist beeindruckend. Welcome to the moon! Weltfremd, einsam und bizarr. So liebe ich es. Auch meine Begleiterin ist beeindruckt.

Nun geht es endlich mal wieder bergab! Über wellenförmiges, spitzes Gestein. Viele tiefe Löcher und Spalten müssen umstiegen werden. Bei einem Blick hinein wird einem auch leicht flau im Magen. Wanderstöcke, Gürteltaschen etc. sind zu finden. In die folgenden Löcher und Spalten schaue ich nicht mehr hinein. Es gibt so viele davon und ich will auch gar nicht wissen, was mich dort noch erwartet.

Etwas weiter von uns entfernt sehen wir das ein Pfad in Richtung Funtenseegebiet führt, aber keiner in die entgegengesetzte Richtung zum Ingolstädter Haus. Werden wir heute doch nicht unsere Mondstation erreichen und müssen Notfalls zum Kärlingerhaus absteigen? Ein Blick zurück hinter uns lässt uns kurz schockieren. Wir sehen sie! Die Mondstation Ingolstädter Haus! Schaut aber sehr weit entfernt aus, schießt es uns durch den Kopf. Ohje, das könnten nochmals bis zu zwei Stunden sein bis wir es erreichen.

Blick zu unserer Mondstation - Ingolstädter Haus
Blick zu unserer Mondstation – Ingolstädter Haus
Blick zu unserer Mondstation - Ingolstädter Haus
Blick zu unserer Mondstation – Ingolstädter Haus

So langsam dämmert es auch schon. Wir erreichen eine Kreuzung mit Wegweisern. Nochmals eine Stunde bis zum Ingolstädter Haus und eine Stunde 45 Minuten bis zum Kärlinger Haus. Klare Entscheidung: auf zur Mondstation!

Da wir mittlerweile im tiefsten Mondgebiet sind, ist auch die Schwerkraft verloren gegangen. So schweben wir sogar in 40 Minuten zu unserem heutigen Etappenziel. Dieser kleine Streckenabschnitt wies nicht mehr den Anspruch auf wie über das Hundstodgatterl etc. zu steigen.

Wir sind gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang angekommen. Die Mondstation Ingolstädter Haus bietet alle Annehmlichkeiten wie wir sie von der Erde kennen: Tiroler Gröstl, Kaspressknödelsuppe und Kaiserschmarrn. Auch Duschen, Toiletten, Betten und ein großes Frühstücksbuffet bekommt man hier. Selbstverständlich alles aufwendig mit Space-Shuttles hierhoch transportiert. Ein Wahnsinn! Für mich eine der am besten geführten Berghütten hier in den Berchtesgadener Alpen!

Am Abend nutze ich noch eine heiße Dusche um mir den Mondstaub abzuspülen. Die Nacht auf dem Mond verläuft ruhig.

Am nächsten Morgen regnet es auf dem Mond. Aufgrund des Wetters entscheiden wir uns wieder zurück zur genannten Weggabelung zu schweben und dann zum Kärlinger Haus und St. Bartholomä am Königssee abzusteigen. Wir verabschieden uns von der Hüttencrew, die den Mond dann nur noch eine Woche bewohnen wird.

Um nicht total durchgeweicht zu werden und noch kränker zu werden nutzen wir Schirme. Ja, Schirme! Für manchen Bergsteiger ein absolutes No-Go. „Für was habe ich denn eine Jacke an“, ist das Statement. Klar, die Jacke hält mich vielleicht eine limitierte Zeit einigermaßen trocken, aber auch die ist irgendwann durchgeweicht und wer mag schon tropfend eine Hütte betreten und dann wieder in die nasse Jacke steigen für den letzten Teil des Abstieges. Soweit es vom Anspruch des Weges geht und es auch nicht gerade gewittert ist es vollkommen okay einen Schirm bei einer Bergtour zu nutzen.

Schirm benutzen erlaubt!
Schirm benutzen erlaubt!

Von der bizarren Mondlandschaft wechseln wir nun hinüber zur Steppenlandschaft oberhalb des Kältepoles Deutschlands – dem Funtensee.

Mondstation in der Steppe
Mondstation in der Steppe

Nach knappen zwei Stunden und fast einer Stunde durch den Platzregen erreichen wir das Kärlingerhaus am Funtensee. Auch hier macht man sich schon zur Schließung bereit. Gegen Mitte Oktober schließen fast alle Berghütten in den Berchtesgadener Bergen. Eine Bewirtung im Winter ist hier so gut wie nicht möglich. Nur das Carl-von-Stahl Haus am Torrener Joch zwischen Hohem Brett und Schneibstein hat ganzjährig geöffnet.

Station Funtensee erreicht!
Station Funtensee erreicht!

Für den letzten Streckenabschnitt dopen wir uns mit Kuchen und Pasta im Kärlingerhaus.
Gerade auf Hütten gibt es oft viele sogenannte „Schöpfgerichte“. Diese sind schnell zubereitet/vorbereitet und man kann einen großen Andrang an hungrigen Bergsteigern schnell versorgen.

Für heute sind es dann noch zirka drei Stunden Abstieg bis zu St. Bartholomä am Königssee und somit gehen dann auch zwei ereignisreiche Tage zu Ende.

Eine Expedition zum Mond ist nicht für jeden so einfach zu bewerkstelligen. Gerade deswegen ist dieser Artikel so leicht und beschwingt formuliert worden. Hierbei handelt es sich nicht um eine Wegbeschreibung für einen gemütlichen Wanderer, der mal mehrere Tage unterwegs sein will. Sondern dieser Artikel soll Anreiz für erfahrene Bergsteiger sein auch hier wunderschöne, lange und anspruchsvolle Touren zu unternehmen.

Wer bisher eher wenig Bergerfahrung hat und auch eine Tour im steinerne Meer unternehmen möchte, dem rate ich Kondition aufzubauen und das sind nicht im Fitnesstudio sondern in den Bergen. Hier erlangt man eine ganz andere Kondition und Ausdauer, welche aber genau richtig für Bergtouren ist. Auch die passende Ausrüstung ist sehr wichtig. Oft sehe ich Personen in den Bergen, die Rucksäcke tragen, die schon fast größer als sie selbst sind. Zum Großteil sogar falsch eingestellt. Was tut ihr eurem Rücken an! Vieles ist unnötig das mitgenommen wird. Wichtig ist eine Notfallausrüstung, genügend zu trinken und essen (kann bei Berghütten aufgefüllt werden) und Unterwäsche. Waschen und täglicher Kleidungswechsel ist hier draußen in den Bergen nicht so wichtig.

Grüße von den Mondexpeditionistinnen, eure Ann-Kathrin

Im Winter 2013 verlies ich Familie und Freunde im Südhessischen Viernheim um als Nationalparkmitarbeiterin im Berchtesgadener Land zu leben. Endlich konnte ich meinen Traum wahr werden lassen! Direkt vom Elternhaus rund 600km in die Berge ziehen, was für andere vielleicht ein gewagter Schritt wäre, war für mich das Ende der Sehnsucht. Das Berchtesgadener Land - die Sehnsucht dorthin verspürte ich permanent über Jahre. Ich hörte die Berge nach mir rufen. Bekannt ist mir das Berchtesgadener Land seit ich drei Jahre alt bin, da der beste Freund meines Opas aus Anger ist. So entstand die Verbindung. Mit 24 Jahren gab ich dem Ruf der Berge nach, Koffer gepackt und ab ins Berchtesgadener Land. Ich lebe dort wo ich früher Urlaub machte. Ein lebendiger Traum! Meine Freizeit verbringe ich fast ausschließlich in den Bergen. Nach Feierabend sich an einem sonnigen Tag einfach hinlegen - für mich unmöglich! Ob nun gemütliche Feierabend-Wanderung, Bergwanderung oder Hochtour. Je nach Zeit und Wetterlage mache ich alles. Natürlich fragt man sich mit wem ist denn das "Venema"-Mädel unterwegs? Alleine! Alleine in den Bergen unterwegs zu sein, ist im Kopf vieler zu negativ behaftet. Oft mache ich alleine die interessantesten Begegnungen. Und darum wird es auch in meinen Berichten gehen - Begegnungen am Berg. Mittlerweile bin ich auch in den Printmedien zu finden: "Das Wanderbuch bayerische Hausberge" ISBN-13: 978-3-86246-527-9 Erschienen im Bruckmann Verlag München Auch bei Lesungen der Berchtesgadener Land Autoren bin ich mit dabei. Mehr Infos: http://bgl-autoren.de/

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