Menschen

Die seltene Kunst des Federkielstickens

Werkstattbesuch beim Federkielsticker Hans Hogger

Ich besuche Hans in seiner Werkstatt in Rückstetten, einem kleinen Ortsteil der Gemeinde Teisendorf im Rupertiwinkel. Er zeigt mir heute die seltene Kunst des Federkielstickens – eine Ziertechnik, die es bereits seit gut 250 Jahren gibt. Hans‘ Handwerkskunst ist vor allem bei den Mitgliedern der umliegenden Trachtenvereine sehr gefragt, denn hauptsächlich bestickt er Hosenträger und Ranzen, den prächtigen Bauchgurt der Lederhosen.

Er verwendet für die Stickerei die gespaltenen Kiele von Pfauenfedern. Die Federn bezieht er über den Zierfederhandel. Pfauenfedern schauen toll aus, aber Hans braucht ja nur die Kiele. Das Spalten der Kiele ist sein Betriebsgeheimnis, das Ergebnis sind feine, sehr stabile und gleichzeitig elastische Fäden. Ich darf sie auch anfassen – es ist schon toll, was die Natur an Materialien schafft und der Findungsgeist der Menschen daraus macht!

Den Beruf des Federkielstickers kann man nicht im Rahmen einer klassischen Berufsausbildung erlernen. Hans hat sich seine Fertigkeiten vor vielen Jahren von einem Federkielsticker in Lauter abgeschaut, dem er wochenlang über die Schulter schauen durfte. Ein bisschen ist er auch erblich vorbelastet, seine Großtante hat die Kunst des Federkielstickens auch gekonnt. Im zivilen Beruf ist er gelernter Holzknecht und Forstwirt und arbeitet halbtags beim Forstamt Berchtesgaden.

Hans nimmt auf seinem Nährössl Platz. Das Nährössl ist der typische Arbeitsplatz für Sattler und Federkielsticker: der Handwerker sitzt optimal positioniert und das Werkstück kann am Kopf des Nährössls fixiert und bearbeitet werden.

Bei meinem Besuch ist Hans dabei, einen Ranzen zu besticken. Bei einer geschätzten Arbeitszeit pro Ranzen von ungefähr 100 Stunden ist es nur zu verständlich, dass die richtige Haltung beim Sticken absolut wichtig ist. Auf dem halbfertigen Ranzen ist das weitere Muster vorgezeichnet. Mit einer Ahle sticht Hans nun anhand des Musters ein Loch in den Ranzen. Nach jedem Loch führt er den Faden durch. Also immer abwechselnd – Loch, fädeln, Loch, fädeln.

Auf der Rückseite des Ranzens ist eine Schabrackeneinlage angebracht. Dank dieser Einlage fransen die Löcher nicht aus und das Rindsleder lässt sich gut bearbeiten. Während Hans arbeitet, erzählt er mir von seiner Familie. Die ganze Familie Hogger ist beim Trachtenverein Teisendorf – die drei erwachsenen Kinder engagieren sich als Vorplattler, Jugendleiter und Musikwartin, seine Frau ist 1. Vorständin. Er selbst ist der Gebietsvertreter der Trachtenvereine im Rupertiwinkel. 2023 hatte er die Festleitung des Gaufestes in Teisendorf inne.

Wir kommen wieder auf sein Material zu sprechen, die Federkiele. Die können nur von abgeworfenen Federn benutzt werden. Würden die Federn den Vögeln ausgerissen werden, könnte der Kiel nicht zum Sticken benutzt werden – das Mark im Kiel ist dann nämlich flüssig und auch nicht weiß. Wenn Hans mit dem Besticken eines Ranzens fertig ist, kommt auf die Rückseite noch eine Lederschicht, die näht Hans drauf. Bei den Hosenträgern und Handtaschen übernimmt das Zusammennähen eine Feintäschnerin für ihn.

Kurz bevor ich mich verabschiede, zeigt mir Hans noch einen historischen Ranzen. Hans schätzt sein Alter auf 150 bis 200 Jahre, der Ranzen ist besonders fein bestickt.

Danke, Hans, dass Du mir Deine Handwerkskunst so geduldig gezeigt hat!

Als Zugereiste komme ich mit dem neugierigen Blick von außen. Die Menschen in Berchtesgaden haben es mir angetan, ich mag sie. Ich bewundere die Leidenschaft und die Verbundenheit der Einheimischen zu ihrer Heimat und ihren Traditionen. Das ist etwas Besonderes. Gleichzeitig lerne ich die Region immer besser kennen und erzähle von meinen Erlebnisse sehr gerne in diesem Blog.

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