
Hoher Göll über den Salzburger Steig (Schusterroute & Kamin)

Viele Wege führen auf den Hohen Göll
Am letzten Sonntag wollte das schöne Wetter noch einmal genutzt werden und Christian und ich waren auf der Suche nach einer nicht allzu langen, aber dennoch anspruchsvollen Tour. Fündig sind wir am Hohen Göll geworden, dessen Gipfel sich auf einer großen Auswahl an Routen erstürmen lässt: Durch das Alpeltal von Hinterbrand, über den Mannlgrat vom Kehlsteinhaus, über das Hohe Brett vom Carl-V.-Stahl-Haus, oder über den Salzburger Steig von der Rossfeld-Panoramastraße bzw. dem Purtschellerhaus. Für letztere Variante haben wir uns entschieden.
Entsprechend geht es früh morgens mit dem Auto die mautpflichtige Rossfeldstraße bis zu dem Parkplatz unterhalb des Ahornkasers hinauf. Der hohe Ausgangspunkt reduziert die zurückzulegenden Höhenmeter der Tour auf knapp 1000 und die Aufstiegsdauer auf etwa 3,5 Stunden. Angenehme Zahlen wenn man bedenkt, das wir heute auf einen der höchsten und mächtigsten Gipfel der Berchtesgadener Alpen steigen.
Dennoch ist der Aufstieg über den Salzburger Steig bergsteigerisch auf keinen Fall zu unterschätzen und eine hochalpine Angelegenheit, die absolute Schwindelfreiheit und Trittsicherheit und die Bewältigung von Kletterstellen in sehr exponiertem Felsgelände voraussetzt. Die Passagen der Schusterroute und des Kamins, in die sich der Salzburgersteig später verzweigt, haben den Charakter eines leichten Klettersteigs, weshalb das Mitnehmen eines Klettersteig-Sets durchaus zu empfehlen ist. Gerade im ausgesetzten Schustersteig gibt das Einhängen am durchgängig gespannten Stahlseil Felsneulingen ein zusätzliches Sicherheitsgefühl. Außerdem kann ein Helm in dem steilen Felsgelände nützliche Dienste leisten. Nicht selten passiert es, dass Bergsteiger über Einem versehentlich Steine lostreten und man sich genau in der Schusslinie befindet.
Am Purtschellerhaus vorbei zum Einstieg in die Schusterroute/ Kamin
Der kurze, aber steile Abstieg zum Eckersattel zu Beginn der Tour wirkt fast wie eine von der Natur eingebauten Bestrafung für all die bequemen Bergsteiger, die dem Göll nicht von der Talsohle aus auf sein massiges Leib rücken möchten. Vielleicht hat sich der Gegenanstieg bis zu unserer Rückkehr ja durch irgendein alpines Wunder verflüchtigt…
Aus dem Eckersattel heraus erreichen wir in etwa 45 Minuten das Purtscheller Haus, das über dem Berchtesgadener Land auf der einen und dem Salzburger Land auf der anderen Seite aussichtsreich auf dem grünen Eckerfirst thront. Bei wunderbarer Morgenstimmung steigen wir die steilen Serpentinen über den Grasrücken zum Purtschellerhaus auf. Schon zu solch früher Stunde ist es heute extrem heiß, ein Erfrischungsgetränk auf der Sonnenterrasse muss her!

Nach der kurzen Pause folgen wir dem Wegweiser, der uns den Weg über den Salzburger Steig auf den Höhen Göll anzeigt und uns schon kurz nach dem Haus in merklich anspruchsvolleres Gelände führt. Über Felsstufen und grasdurchsetztes Schrofengelände zieht der Steig stetig auf die auffällige Nordostwand des Hohen Gölls zu, die wir später durchsteigen werden. Bereits hier verstauen wir die Teleskopstöcke, denn immer wieder brauchen wir den Einsatz der Hände, um gut gestufte Felspartien zu erklimmen. Auch die ersten ausgesetzten Wegstellen warten auf uns und testen unsere Schwindelfreiheit. Wer bei den eindrucksvollen Tiefblicken auf die Rossfeld-Panoramastraße bereits hier Probleme hat, sollte lieber nicht weitergehen. Dies ist bloß der Auftakt einer oft im exponierten Absturzgelände verlaufenden Tour. Die Landschaft ist bereits hier eine wahre Augenweide, toll ist der Blick auf die andere Seite zum Kehlsteinhaus, dem Zackenkamm Mannlgrat und hinab nach Salzburg.



Bald erreichen wir einen markanten, mit Kreuz gekennzeichneten Gratabsatz, auf den ein kurzer Zwischenabstieg folgt. Das Gelände wird immer eindrucksvoller, wir kommen den wilden Felsabstürzen des Hohen Gölls nun immer näher. Über Serpentinen, die durch eine bröselige Rinne führen, gelangen wir an die Weggabelung am Fuße der nahezu senkrechten Nordostwand. Hier stellt uns der Salzburger Steig vor die Wahl: Schusterroute oder Kamin?
Schustersteig und Kamin: Zwei spannende Routen auf die Göllleiten
Beide Routen führen nicht weit von einander entfernt durch die mauerartige Wand, haben aber dennoch beide ihren ganz eigenen Charakter. Der alpinen Gerüchteküche nach soll der Kamin die anspruchsvollere Route sein. Entsprechend entscheiden sich auch heute die meisten Berggeher für den Aufstieg über die Schusterroute. Während ich beide Routen noch nicht kenne, erinnert sich Christian an seine Begehung der Schusterroute und deren sehr exponierte Routenführung zurück. In unserer Entscheidungspause an der Wegkreuzung holen uns zwei Göllerfahrene ein, die uns bei der Entscheidungsfindung zu Rat stehen und das verbreitete Gerücht sogleich widerlegen. „Naa, die Kaminroute ist angenehmer zum Gehen, in der Schusterroute ist man sehr viel freier über der Wand.“
Da wahrscheinlich jeder eine andere, von individuellen Erfahrungen oder weitergetragenen Berichten gefärbte, Meinung zu den beiden Routen hat, wollen wir uns ein eigenes Bild von beiden Varianten machen und wagen den direkten Vergleich. Über den Kamin gehts „aufe“ und über die Schusterroute „obe“, so die finale Entscheidung…

Spontan schließt sich uns Su, eine sympathische Kölnerin an und zu dritt machen wir uns auf in Richtung Kamin. Nach den ersten Metern legen wir allerdings den ersten Stopp ein. Ein von der Schusterroute herab brausender, faustgroßer Stein ist Warnsignal genug für uns, damit wir unsere Helme aufsetzen. Über ein bröseliges Geröllfeld und leichte Kletterstellen erreichen wir nach wenigen Minuten bereits den Einstieg in den Kamin.

Mit gut ausgeprägten Griffen und Tritten links und rechts geht es durch die Einkerbung in der Wand aufwärts. Wem die Felsen als Halt nicht reichen, kann auch das durchgängig gespannte Seil nutzen, oder sich mit einem Klettersteigset zusätzlich sichern. Ohne Seil mag die Kletterschwierigkeit hier zwischen dem ersten und zweiten Schwierigkeitsgrad anzusiedeln sein. Der Aufstieg durch den festen Fels macht richtig Spaß und ist leider kürzer als erwartet! Dabei sollte man aber nicht den gähnenden Abgrund hinter einem vergessen und entsprechende Vorsicht walten lassen. Ein Ausrutscher hätte fatale Folgen! Nach einem flacheren Abschnitt wartet auch schon die Schlussrampe, noch einmal ist beherztes Zupacken von Nöten, bevor wir Drei durch eine enge Scharte die Göllleiten erreichen.


Über die Gölleiten dem Gipfel entgegen
Auf den Göllleiten angelangt, eröffnet sich schlagartig eine ganz neue Welt vor uns. Senkrechte Felswände werden durch weite Schrofen- und Schotterflächen abgelöst, über die es nun in gemächlicher Steigung über mehrere Kuppen in Richtung Gipfel geht. Eine kurze gesicherte Engstelle verlangt nochmal unsere ganze Aufmerksamkeit, ansonsten kann man unbehelligt das gigantische Panorama genießen. Leider ist es heute ziemlich diesig, was die Fernsicht etwas einschränkt. Erste Quellwolken kündigen bereits am Vormittag den Wetterwechsel am nächsten Tag an. Viele Bergsteiger sind deshalb früh aufgebrochen und der Gipfel ist gut bevölkert, als wir nach insgesamt etwa drei Stunden den Höhen Göll (2522m) erreichen. Kurz vorher kommen wir noch an einem gewaltigen Schneefeld vorbei. Gibt es neben dem Blaueisgletscher, der Übergossenen Alm und den letzten Resten des Watzmanngletschers im Watzmannkar etwa auch noch den kleinen Göllgletscher?








Abstieg über die Schusterroute
Während einer ausgiebigen Gipfelrast genießen wir die spätsommerlichen Sonnenstrahlen und lassen uns von einer frechen Bande von Bergdohlen bespaßen, die uns ihre akrobatischen Flugkünste präsentieren und um nahrhafte Belohnung betteln. Neidisch verabschieden wir uns schließlich von Su, die die zahlreichen Berghütten in den Berchtesgadener Alpen zu einer mehrtägigen Hüttentour kombiniert und in Richtung Carl-V.-Stahl-Haus aufbricht. Wir folgen dagegen wieder unsere Aufstiegsroute und gelangen, den Abzweig zum Kamin ignorierend, an das untere Ende der Göllleiten. Dort treffen die Route über den Mannlgrat und die Schusterroute zusammen.
Nun sind wir gespannt, was die Schusterroute von uns abverlangt und wie sie im Vergleich zum Kamin abschneidet. Gerade im Abstieg mit dem Abgrund direkt voraus, fordert die Schusterroute unsere ganze Konzentration. Die Ausgesetztheit der Routenführung ist echt extrem und wir sind froh über das durchgängige Stahlseil, and dem wir uns mal vorwärts mal rückwarts durch die steile Wand hangeln. Bei Nässe herrscht hier größte Absturzgefahr, aber auch bei trockenem Wetter darf man sich keinen falschen Schritt erlauben! Ein Klettersteigset bringt auch hier wieder eine nicht zu verachtene Sicherheit. Im Aufstieg ist die Schusterroute sicher angenehmer zu gehen. Letztendlich kommen wir zu dem Fazit, dass der Kamin rein klettertechnisch vielleicht etwas anspruchsvoller ist, die Schusterroute aber gerade im Abstieg aufgrund ihrer Exponiertheit deutlich unangenehmer zu gehen ist. Beide Alternativen sind durchwegs super gesichert!



An der Weggabelung am Wandfuß angekommen, können wir uns wieder entspannen und blicken noch einmal respektvoll auf die gerade durchstiegene Wandflucht zurück. Nach etwa 2 Stunden ab dem Gipfel, treffen wir über den bereits bekannten Salzburger Steig wieder am Purtschellerhaus ein und genießen die nach erfolgreicher Bergtour mittlerweile obligatorische Russenmaß.
Ab dem Haus wählen wir die interessant angelegte Alternativroute hinab zum Eckersattel. Über unzählige hölzerne Treppenstufen geht es knieschonend abwärts. Im Eckersattel angekommen, macht sich allerdings Ernüchterung breit. Der Gegenanstieg ist immer noch da! Unsere Waden teilen uns nun mürrisch mit, dass das Programm der letzten Tage aus der Watzmann-Überschreitung, dem Rupertusthermen-Lauf und nun heute dem Hohen Göll bestehend, mehr als genug war… Bergtourpausenreif steigen wir ins Auto und reihen uns in die Karawane von Motorrädern ein, die die Rossfeldstraße entlang zieht.
Und wieder einmal hat uns der Hohe Göll bewiesen, welch großartiger Gipfel dort direkt über Berchtesgaden aufragt…


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