
Almabtrieb über den Königssee

„Da Summa is umma“ – Auf Landauern in die hemischen Ställe
Es ist kalt, nass und windig als wir in das offene Boot einsteigen und uns früh morgens auf den Königssee begeben. In den letzten Tagen hat eine Kaltfront dafür gesorgt, dass es wieder weit runter geschneit hat. Viel von dem Neuschnee ist nicht zu sehen. Dicke Nebelschwaden verhüllen die Berggipfel und sorgen für eine gespenstische, beinahe bedrückende Atmosphäre. Es wirkt fast so, als sollte nochmal betont werden, dass der Almsommer nun um ist.
Es herrscht also die passende Stimmung für das bevorstehende Ereignis: Der Almabtrieb über den Königssee. Dieser ist im gesamten Alpenraum einzigartig. Denn die Saletalm und die Fischunkelalm sind über den Landweg ausschließlich über schwere Gebirgssteige erreichbar. Es bleibt den Kühen also nur der einstündige Weg über den See zurück in die warmen Heimatställe.
Trotz der langen Tradition des Almabtriebs über den Königssee hat die Evolution noch nicht dafür gesorgt, dass sich die Kühe von der Salet- und Fischunkelalm zu begnadeten Schwimmern entwickelt haben. Hölzerne Transportschiffe mit ebenen Böden und flachem Zustieg ermöglichen die Überfahrt: Sogenannte Landauer.



Wir begleiten einen Landauer auf der Überfahrt zur Anlegestelle Salet und passieren dabei die zu dieser Zeit noch menschenverlassene Halbinsel Hirschau. Die millionenfach abgelichtete, berühmte Wallfahrtskirche St. Bartholomä gibt heute ein ganz wunderbares Bild ab: Erhaben, friedlich, ruhestiftend. Und ohne ihre vielen Bewunderer fast ein wenig befremdlich. Die Watzmann-Ostwand ist heute nur zu erahnen, dichter Nebel, Sturzbäche und Neuschnee verleihen ihr ein unheimliches Antlitz. Der Kontrast zwischen der verschlafenenen, einladenden Kirche und der abweisenden und bedrohlichen Umgebung ist beeindruckend.
Gerne würde ich die Szenerie noch länger betrachten, doch wir müssen weiter, die Kühe warten auf ihr Seetaxi!



An der Anlegestelle Salet angekommen, lässt noch nichts darauf schließen, dass hier gleich ein ganz besonderes Ereignis stattfindet. Es dauert eine Weile, bis die vielen Helfer von der Saletalm alle Vorbereitungen getroffen haben, und mit den Kühen herüberkommen. Für uns die Gelegenheit, sich in der Gaststätte Saletalm aufzuwärmen. Für einige Kälber am Ufer die Gelegenheit, die letzten Momente der diesjährigen Sommerfrische am Königssee voll auszukosten. Abschiednehmen von der Alm , warten auf das Taxi….


Dann tut sich an der Saletalm etwas und der Almsenner trifft gemeinsam mit dem ersten Teil der Herde, den Landwirten vom Bauernhof im Tal und dem Helferteam an der Anlegestelle ein, wo der Landauer bereits wartet.
Einige Tiere sträuben sich gewaltig, was wohl in zweierlei Hinsicht verständlich ist. Wer mag schon diesen Ort zwischen zwei der schönsten Seen Deutschlands ohne großes Murren verlassen? Wären wir nicht auch aufgeregt, wenn wir so ungewohntes Terrain betreten würden?
Die routinierten Helfer können die Herde beruhigen und helfen einem Tier nach dem Nächsten auf das Boot, mal mit mehr, mal mit weniger Widerstand.
Das Eintreffen des ersten Elektrobootes der Königsseeschifffahrt-Flotte bewirkt, dass für kurze Zeit das Bugsieren der Kühe in den Hintergrund rückt und es zur Priorität wird die neugierigen und verzückten Gäste in Schach zu halten und um den Ort des Geschehens zu leiten.
Langsam füllt sich der Landauer, die Kühe werden angebunden, es kann losgehen! Bei Ablegen des Schiffes sieht man die gemischte Stimmung unter den Beteiligten insbesondere dem Senner an. Trauer über das Ende des Sommers auf der Alm und Freude aufgrund des festlichen Anlasses gehen miteinander einher. Was überwiegt wohl bei den Kühen?

Das Boot mit den Kühen auf dem Wasser wirkt komisch. Die Gäste auf den Booten der Königsseeschifffahrt werden ihren Augen wohl kaum trauen. Sind da gerade wirklich Kühe an uns vorbeigefahren?

Für einen Moment wird es noch unwirklicher, fast schon kitschig. Sonnenstrahlen durchbrechen die Nebeldecke. Spotlight auf die vierbeinigen Matrosen! Am Nieselregen brechen sich die Sonnenstrahlen und formen ein buntes Regenbogentor unter dem die Kühe hindurchfahren. Im Hintergrund plätschert der Schrainbachfall.

Wir nähern uns nun erneut St. Bartholomä. Dort ist es mit der morgendlichen Ruhe mittlerweile vorbei. Für einen kurzen Augenblick ist nicht mehr die Kirche mit ihren roten Zwiebeltürmen der Fixpunkt der Aufmerksamkeit. Die Blicke am Ufer sind nun gen See gerichtet, wo das merkwürdige Gefährt mit der außergewöhnlichen Schiffscrew nun nicht nur die Speicherkapazitäten der Kameras auf dem Presseboot füllt.

Die Hälfte der Strecke ist bald geschafft. Die Sonnenfenster werden pünktlich zur Ankunft immer größer. Die verfärbten Bäume am Seeufer beginnen im schönen Licht golden zu Leuchten. Es hat sich offensichtlich herumgesprochen: Heute ist etwas nicht Alltägliches am Königssee zu sehen! Gut gefüllt sind die Stege und Ufermauern. Alles ist für einen feierlichen Empfang gerichtet…


Die Kühe blicken in erwartungsvolle, faszinierte Gesichter als sie ihre Füße vom Landauer auf das sichere Festland setzen: Geschafft! Sind die etwa alle wegen uns gekommen?

Am Ufer startet jetzt das sogenannte „Aufkranzen“. Den Kühen werden prachtvolle Fuikln aufgesetzt. Etwa 60 Stunden hat es zuvor gedauert, eine der Fuikln aus Fichtenzweigen und handgearbeiteten Blumen und Rosetten herzustellen. Der Schmuck ist das Zeichen dafür, dass in dem Almsommer kein Unglück passiert ist. Ist der Almsommer nicht positiv verlaufen, werden die Kühe nicht geschmückt.
Aufgrund des Wetters hat sich alles etwas verzögert. Leider kann ich nicht mehr warten, bis die Fuikln aufgesetzt werden, eine eigene Zeremonie wartet….Und so verpasse ich leider den Abmarsch der geschmückten Kühe zu ihrem Heimbauernhof.
Da auf dem Presseboot auch noch Fotografen großer Redaktionen und Nachrichtenagenturen an Bord waren, findet ihr im Netz aber noch Bilder der geschmückten Kühe.
Schön war es, bei diesem Ereignis dabei gewesen zu sein, euer Jannis


2 Kommentare
Almabtriebe.de
Tolle Geschichte mit schönen Fotos, vielen Dank dafür 🙂
Leider haben wir es dieses Jahr krankheitsbedingt nicht geschafft, mit dabei zu sein, nächstes Jahr dann hoffentlich schon!
Jannis
Danke für deinen KOmmentar, im nächsten Jahr klappt es bestimmt wieder!