
Erkundung der Blaueis-Arena: Überschreitung der Schärtenspitze

Zwei Tage im Reich der Blaueishütte
Mitte der Woche zeigte sich der Sommer im Berchtesgadener Land von seiner besten Seite. Am Dienstag haben sich Christian und ich den Nachmittag frei genommen, um gemeinsam mit seinem Cousin die Schärtenspitze, den Hausberg der Blaueishütte, zu überschreiten. Am Folgetag bin ich dann alleine in das felsige Reich der Blaueishütte zurückgekehrt und hab die Hochkalterüberschreitung in Angriff genommen. Während die Schärtenspitz-Überschreitung von allen trittsicheren Bergsteigern, die mit guter Kondition und einem Mindestmaß an Schwindelfreiheit ausgestattet sind, als Tagestour durchzuführen ist, sind die Anforderungen an den Hochkalter-Überschreitenden eine Stufe höher anzusiedeln (dazu mehr in Teil 2).
Die Überschreitung der Schärtenspitze
Die Schärtenspitze (2153m) ist ein beliebter Gipfel oberhalb der Blaueishütte. Nicht zu einfach, aber auch nicht zu schwierig zu erreichen, bietet sie ein tolles Bergerlebnis in Angesicht des Hochkalters. Scheint sie mit ihren steilen Wänden aus der Talperspektive zunächst für den Normalbergsteiger unerreichbar, muss sie sich doch zwei Schwachstellen eingestehen, die jeweils mit Steigen erschlossen sind und eine abwechslungsreiche Überschreitung ergeben. Ausgangs- und Endpunkt der Unternehmung ist der Wander-Parkplatz an der Pfeifenmacherbrücke in Ramsau.
Am frühen Nachmittag starteten wir den Aufstieg über die ruhige Ostseite der Schärtenspitze. Da wir für die Tour verhältnismäßig einige Stunden zu spät starteten, versuchten wir die verlorenen Stunden im Aufstieg zurückzugewinnen und brauchten letztendlich vom Parkplatz aus drei statt der etwas großzügig angegebenen fünf Stunden. Die erste Stunde geht es bei hohen Temperaturen und knallender Sonne über einen Forstweg zur Eckaualm, wo sich ein schöner Blick über das Almgelände und den nächsten Abschnitt des Anstiegs öffnet.

Dieser stellt eine wild bewachsene Steilstufe zur Hochalm dar, die serpentinenreich über einen schönen Steig erschlossen wird. „Das ist garantiert ein super Skitourengebiet„, kommt Christian auf dem Weg ins Schwärmen, „hier schaue ich auf jedem Fall nochmal im Winter vorbei!“ Auch im Sommer ist das Gebiet rund um die Hochalm, die bald erreicht ist, ausgesprochen einladend und ursprünglich.

Von hier aus gelangt man auch zum Wimbachschloss im gleichnamigen Tal, sicher auch eine schöne Tour! Für uns geht es heute aber weiter unter den senkrechten Felsabstürzen des Steinberges und des heutigen Gipfelzieles in Richtung Süden. Wie soll man da von dieser Seite nur raufkommen?

Ist die Alpenrosen bewachsene Hochfläche durchquert, sind die ersten Trittsicherheit verlangenden Karststellen überwunden und hat man auch ein steiles, feinbröseliges Schuttfeld hinter sich gebracht, eröffnet sich die Antwort auf diese Frage. Scharf biegt man in eine steile Rinne ein, die von beeindruckenden Wandfluchten überragt zur Eisbodenscharte hinaufführt. Man hat die erste, nicht ganz so schwache Schwachstelle der Schärtenspitze gefunden. Hier kommen nun erstmals die Hände zum Einsatz, mit denen man sich in dem Felsgelände aber durchgängig an einem Stahlseil festhalten kann. Auf der rechten Seite wird die Rinne insgesamt unschwierig aber durchaus mit hochalpinem Flair erklommen. Dabei sollte man, gerade wenn noch andere Berggeher in der Rinne unterwegs sind, darauf achten, keine losen Steine in Bewegung zu bringen. Diese Verhaltensweise ist im Verlaufe der Tour des Öfteren von Nöten, denn auch auf dem Abstieg zur Blaueishütte führt der Weg teilweise durch Gelände, in dem das Auslösen eines Steinschlages verheerende Folgen für Bergsteiger unter einem haben kann.




Nach der kurzweiligen Kraxelei in der Rinne erreichen wir schnell die Eisbodenscharte, die die mächtige Blaueisspitze von der Schärtenspitze trennt. Von hier aus schauen wir erstmals in den Blaueiskessel herunter und können Teile des Abstieges einsehen. Außerdem überblickt man von hier den schönen Schlussanstieg zur Schärtenspitze.

Von hier aus sind nur noch wenige Höhenmeter, dafür aber einige seilgesicherte Stellen bis zum Gipfel zu überwinden. Wagt man einen Schritt vom durchgängig nah an der Gratkante verlaufenden Weg, öffnen sich zwischendurch schöne Tiefblicke auf die Hochalm, wo unser Anstiegsweg leicht zu erkennen ist. Wirklich ausgesetzt wird es nie, wer große Probleme mit der Höhe hat, kann sich aufgrund der jähen Tiefblicke aber durchaus gelegentlich unwohl fühlen.


Nach kurzer Zeit können wir uns dann zum Gipfelerfolg beglückwünschen und den tollen, leider noch durch hartnäckige Wolken getrübten Blick in die imposante Gipfelumrahmung des Blaueisgletscherchens genießen. Von hier aus kann ich einen aufschlussreichen Blick auf den ersten Teil der Hochkalterüberschreitung und die Aufstiegsrinne zum Schönen Fleck werfen. Die Vorfreude auf den nächsten Tag wächst!

Auch der Tiefblick auf den Hintersee und den Berchtesgadener Talkessel ist von unserer exponierten Aussichtswarte aus fabelhaft. Gespannt beobachten wir die Flugeinlagen eines Helikopters, über deren Grund wir rätselten. Schließlich waren es wohl die Bergarbeiter, die am Grat der Schärtenspitze den Weg ausbesserten und gemeinsam mit ihrem Material ausgeflogen wurden.


Mächtig baut sich die gesamte Watzmann-Westwand über dem Wimbachtal auf, die sich gegenüber der berühmten Ostwand auf der anderen Seite keinesfalls verstecken braucht.

Wieder schiebt sich eine Wolke vor die Sonne, eine abendliche Einkehr in der Blaueishütte lockt und wir verlassen den Gipfel. Die andere Schwachstelle der Schärtenspitze ist weitaus einfacher auszumachen. Kurz nach dem Gipfel biegt der direkte Abstiegsweg durch die Westflanke zur Blaueishütte ab, quert eine seilversicherte Felsschlucht und führt durch Gras, Schrofen und Geröllrinnen abwärts zu der Wegkreuzung im Blaueistal. Auch hier versuchen wir wieder möglichst umsichtig zu gehen um keine Steine ins Rollen zu bringen.




Dann ist es nur noch ein Katzensprung zur Blaueishütte (eine Std. ab Gipfel), die in ausgesprochen reizvoller Umgebung liegt und alleine schon einen Besuch wert ist. Interessant ist eine Schautafel kurz vor der Hütte, die uns über die sichtbaren Mauerreste der alten, von einer Lawine zerstörten, Hütte aufklärt.
Gemeinsam mit einigen Bergsteigern, die auf der Hütte übernachten, genießen wir bei Speis und Trank die Abendsonne auf der Terrasse. Mittlerweile haben sich die Wolken aufgelöst und geben nun auch den Blick in den Talschluss und hoch zum Hochkaltergipfel frei. Fachmännisch werde ich in die Kunst der Russenmaß eingeführt, die nach solch einer Bergtour besonders gut schmeckt! Nebenbei wird weiter daran gearbeitet meinem Hochdeutsch einen bayerischen Einschlag zu verpassen. „Für mich bitte ein großes Bier“ -> „A Halbe bitte!“. Alles klar, passt scho!



Schließlich heißt es leider „Servus, pfiat eich, kemmts guat hoam!“ und wir müssen uns von der lieblichen Atmosphäre auf der Hüttenterrasse trennen. Wir folgen dem schönen Hüttensteig, der schließlich in einen Versorgungsweg übergeht und uns zur Schärtenalm führt. Einige Kehren später weist uns ein Wegweiser den weiteren Abstieg über einen schönen Waldweg zum Parkplatz an der Pfeifenmacherbrücke. Kurz vorher treffen wir wieder auf den Anstiegsweg zur Eckaualm und unsere wunderbare und abwechslungsreiche Runde über die Schärtenspitze schließt sich.



5 Kommentare
Björn
Sehr schöner Bericht und welch ein Zufall, denn letzte Woche, als wir noch am Hintersee unseren Urlaub verbrachten, habe ich mit dem Fernglas den Hubschrauber und auch die Bergsteiger auf der Schärtenspitze beobachten können. Nun wird mir klar, das müsst ihr gewesen sein…
Viele Grüße
Björn
Jannis
Hallo Björn,
freut mich, dass dir der Bericht gefällt! Da hattest du dann wohl wirklich uns unter der Lupe, denn wir waren die Einzigen, die zu der Zeit noch oben am Gipfel waren. Ja man ist heute nirgendswo unbeobachtet 😉 Viele Grüße, Jannis
Andrea Roth
So ein toller Fotobericht. Warte schon gespannt auf Teil 2 (wann?), denn die Hochkalterüberschreitung soll heuer auch noch auf meinem Programm stehen. Letztes Jahr war es die Watzmannüberschreitung (ein Traum!)
Liebe Grüße
Andrea
Jannis
Hi Andrea,
danke für deinen Kommentar! Der zweite Teil ist nun online 😉 Ich hoffe er hilft dir bei deinen diesjährigen Plänen.
lg Jannis
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