
Das Gradierwerk von Bad Reichenhall

… und die Sole rieselt leise über den Schwarzdorn…: Das Gradierwerk im Königlichen Kurgarten von Bad Reichenhall
Vom Staub des Alltags gereinigte Luft – sie ist es, zu der unzählige Heilungs- und Erholungssuchende in den Königlichen Kurgarten von Bad Reichenhall kommen. „Vitalisierende Momente mit natürlicher AlpenSole aus der Heilquelle – Alpenstadt Bad Reichenhall: Prickelnd – vitalisierend – erholsam“ – so präsentiert sich Bad Reichenhall der Öffentlichkeit.

Die Kurstadt lebte und lebt für und mit dem „Weißen Gold“ – dem Salz. Schon in der Steinzeit besiedelt steht nicht fest, ob die Jäger von damals die Solequellen unter dem Gruttenstein kennen. Wahrscheinlicher scheint, dass dann die Menschen der Bronzezeit in der Besiedlung auf den umliegenden Höhen um diese Quellen wissen. Wie Albert Hirschbichler in seinem Buch „Bayerisches Staatsbad in den Alpen“ berichtet, finden die über die Alpen kommenden Römer in den von den „Alauni“ (zu den Kelten gehörend) besiedelten Gebiet Siedeanlagen vor. Die Römer bauen die Anlagen aus und treiben über die Salzstraßen regen Handel. Weitgehend im Dunkeln liegt die Zeit nach dem „Imperium Romanum“ bis dann um 700 n. Chr. der Wanderprediger Rupert aus Worms nach Salzburg kommt. Bayernherzog Theodo lässt ihm in einer Schenkung den dritten Teil der Reichenhaller Saline zukommen und Rupert bringt die Saline zu neuerlicher wirtschaftlicher Blüte.

Verheerende Stadtbrände, Saalachhochwässer, kriegerische Auseinandersetzungen und Pest muss die Stadt durchleben, kann aber besonders auch mit Hilfe der Solequellen immer wieder „neu beginnen“. Für den Staat und Bevölkerung bedeutet dies Einnahmen und Arbeit.
Man schreibt den 8. November 1834: In dieser Nacht brennt ein verheerendes Feuer die ganze Stadt einschließlich der Salinenanlagen nieder. Durch grobe Fahrlässigkeit von Arbeitern fangen Holzscheite Feuer. Da der Generaladministrator der Bergwerke und Salinen zu Besuch, verheimlichen sie dies und 4½ Stunden nach dessen Entdeckung steht bereits das Dach des Sudhauses in Flammen.

Nicht nur das große Leid der Bevölkerung sondern besonders auch der Verlust der Salinenanlagen wiegen schwer! Die Einnahmen fehlen! Der Salzhandel bestreitet zudem ein Drittel des bayerischen Staatshaushaltes. König Ludwig I baut deshalb die Salinenanlagen und die Stadt der Salzarbeiter in kürzester Zeit in Stein wieder auf. Aus dieser Zeit des Wiederaufbaus stammt auch das für das „Bad Reichenhaller Salz“ zum Symbol gewordene Gebäude der Alten Saline – im Klassizismus errichtet.

Salz versieden braucht immense Mengen an Energie. Gradierwerke sollen Abhilfe schaffen. Das 1745 erbaute Dornwand-Gradierhaus ist mit 18 Metern Länge zu klein bemessen. Auf das dann 1758 errichtete Gradierwerk mit 160 Meter Länge und 19 Meter Höhe heben mit einem unterschlächtigen Wasserrad angetriebene Pumpen die Sole in das Dachgeschoss. In den Jahren 1761 bis 1764 folgt ein direkt anschließendes zweites Gradiergebäude. Ein 1790 nochmal folgender bringt das Gradierwerk auf eine Gesamtlänge 430 Meter. 1848 übernimmt ein kompletter Neubau Lage und Ausrichtung des Vorgängerbaus und verlängert die Gebäude auf 720 Meter. Die Sole heben nun neue von Georg von Reichenbach konstruierte, mit einem Wasserrad angetriebene Pumpen in die Höhe.

Den Gesundheitswert der Gradierung entdecken Arbeiter, die viel weniger an Atemwegserkrankungen leiden. Ab 1846 nutzen darauf die Kurgäste des Bades Achselmannstein die benachbarten Gradierhäuser als Freiluftinhalatorium. Es folgen – die aufwändige Gradierung überflüssig machend – technische Entwicklungen und damit verschwindet zwischen 1869 und 1888 der größte Teil des Reichenhaller Gradierwerks. Ein bestehen bleibender Teil von 170 Meter Länge dient weiterhin für Kurzwecke – mit einem Umbau 1872 den Bedürfnissen der Kurgäste angepasst.

Nach den Plänen des Königlichen Hofgarteninspektors Carl von Effner erfährt die Wiese um die Gradierhäuser in den 1850er Jahren eine gärtnerische Gestaltung bis hin zur Anlegung des heutigen Kurparkes 1868.

Ein neues, ganz auf seine Funktion als Freiluftinhalatorium ausgerichtetes, vom Königlichen Hofoberbaurat Eugen Drollinger geplantes Gradierhaus entsteht 1912. Drollinger verwendet für die damalige Zeit außergewöhnliche Baustoffe: Die Holzkonstruktion des Obergeschosses tragen Betonpfeiler und -Riegel im unteren Geschoss.

Wir treffen uns mit Hans Willberger von der Kurgärtnerei im wunderschön herbstlichen Königlichen Kurgarten von Bad Reichenhall. Jedoch nicht der Garten ist heute unser Ziel, sondern wir steigen gemeinsam im Gradierhaus hinauf bis unter den Dachstuhl, um uns von Hans die Technik und Wirkung der heutigen Gradierung erklären zu lassen. Pumpen bringen die hochprozentige Alpensole (26%) über die Soleleitung aus dem Quellenbau in der Alten Saline aus der Gruttensteinquelle hinauf in den Trog unter dem Dachstuhl.

Auf einer Länge von 160 m rieselt die auf 5% Grädigkeit aufgemischte, täglich mehrmals geprüfte Alpensole von dort aus 13 m Höhe über 100 000 Schwarz-Dornenbündel auf 2000 qm Rieselfläche langsam nach unten. Der auf dem Dach befindliche Windprüfer gibt der Mechanik mit 113 Ablaufhähnen den Impuls, auf welcher Seite (Ost oder West) der Ablaufrinne die Sole durch ca 3000 Löcher auf die Dornenbüschel laufen soll.

Der Wind drückt die durch die Dornen zerstäubte Bad Reichenhaller AlpenSole durch die Büschel und bringt dadurch auf der dem Wind abgewandten Seite die beste Heilwirkung. So gelangen die feinsten Solepartikel bis tief hinein in die Lunge und erleichtern die Atmung. – Befreit durchatmen beim Spazierengehen. –

Im Turnus von ca 14 Jahren verbrauchen sich die 100 bis 110 cm langen Reisigbündel und werden brüchig. Der Austausch erfolgt in aufwendiger Arbeit abschnittweise in den Wintermonaten, um eine gleichbleibende Qualität der Zerstäubung durch die Berieselung zu gewährleisten. Für den Heilungssuchenden empfiehlt sich ein täglicher Aufenthalt von ca 30 Minuten in der von April bis Oktober laufenden Gradierung.
„Ob Kaiser oder Bettelmann, niemand auf das Salz verzichten kann“ – Das mediterane Klima Bad Reichenhalls, der farbenprächtige Kurgarten und das „weiße Gold“ – eine Wohltat für Körper und Seele…
Eure Rosi
Fotos: RoHa-Fotothek Fürmann
Schwarz-weiss-Aufnahmen – Repro Fürmann
Quellennachweis: Wikipedia
Auszüge aus dem Buch: Bayerisches Staatsbad in den Alpen
Führung Hans Willberger von der Kurgärtnerei


2 Kommentare
Sarita
Liebe Rosi,
vielen Dank für die Recherche und den interessanten Artikel!
lg
Sarita
Fürmann
War sehr schön, sich mit dem Thema intensiv zu befassen und hinter die Kulissen schauen zu dürfen – eine Führung ist auf alle Fälle empfehlenswert!