Kultur

Im bayerischen Meran – die Reichenhaller Kurvillen

Die „Glücksburg“ – ein Beispiel für den Jugendstil in Bad Reichenhall

Als ich vor fünf Jahren nach Bad Reichenhall zog, war eines der ersten Dinge, die mir auffielen: haben die hier schöne Häuser! Ich stamme aus einer architektonisch anders aufgestellten Region und hübsche Kurvillen, wie sie zuhauf in der Alpenstadt stehen, kannte ich bis dato nur aus Urlauben in Meran. Und tatsächlich haben die Reichenhaller Villen mit ihrer Südtiroler Verwandtschaft einiges gemein.

Das Hotel Erika erinnert an einen italienischen Palazzo und ist auch heute noch in Betrieb!

Hier wie dort entstanden sie ab der Mitte des 19. Jahrhunderts, als beide Städte zu alpinen Kurbädern aufstiegen. Und dieser wirtschaftliche Aufschwung war nötig: seit Meran den Regierungssitz Tirols an Innsbruck abgegeben hatte, schlummerte es in jahrhundertelangem Stillstand vor sich hin, während sich die Salinenstadt Reichenhall vom Stadtbrand in den 1830er Jahren erholen musste.
Die neuen Eisenbahnanschlüsse in beiden Orten machten es möglich, dass man nun viel schneller in die Sommerfrische reisen konnte. Eine bekannte Urlauberin, die die neuen Möglichkeiten „inkognito“ mit einem Tross von Dienern nutzte, war Kaiserin Sissi. Ihre regelmäßigen Aufenthalte in Schloss Trauttmansdorff machten Meran zum Place-to-be der Österreichischen High Society.

Die ehemalige „Kurpension Eden“

Unser Bad Reichenhall schaffte es sogar ohne royale Unterstützung unter die Top-Destinationen der Alpen. Nach dem Umbau der Burg Axelmannstein zum Grandhotel gewann der Tourismus in der Alpenstadt rasant an Bedeutung. Sie wandelte sich ab den 1860er Jahren vom Industriestandort (Salinenstadt) zum mondänen Kurort mit städtischem Flair und internationalem Publikum. Zu dieser Zeit wurde bewusst der Vergleich des Bayerischen Merans ins Spiel gebracht. Und einige Gemeinsamkeiten, die über das milde Klima hinausgehen, kann man wirklich feststellen.

Die „Villa Innocentia“ in der Goethestraße.

In beiden Städten tummelte sich der (Geld-)Adel und logierte in luxuriösen Residenzen. Wer es sich leisten konnte, baute gleich sein eigenes Urlaubsdomizil vor Ort, in direkter Nachbarschaft mit den wohlhabenden Kurärzten. Wie heute auch konnten entweder ambulante Behandlungen in Anspruch genommen werden oder es fand sich die notwendige Ausstattung bereits in der Unterkunft. Ganze Stadtviertel errichtete man dazu neu: in Bad Reichenhall zwischen Altstadt, St. Zeno und Krankenhaus, in Meran in den ehemaligen Bauerndörfern Ober- und Untermais sowie zwischen Vinschgertor und dem neuen Bahnhof.

Villa in der Maximilianstraße.

Gestalterisch tobten sich die Häuslebauer nach Herzenslust aus: Türmchen, Erker, verschnörkelte Balkone und reiche Verzierungen krönen die weitläufigen Gebäude, die meist inmitten eines Gartens stehen. Im Vergleich fielen die Meraner Gartenanlagen um einiges größer aus, da die freigegebenen Neubaugebiete großzügiger bemessen waren. Auch die Bepflanzung unterscheidet sich: charakteristisch für Meran sind die chinesischen Hanfpalmen, die ihr mediterranes Ambiente verbreiten, kombiniert mit Kakteen, Feigen und Kiwis. In Reichenhall erlaubt uns das Klima so etwas nicht, wir behelfen uns mit Palmen und Bananenstauden in öffentlichen Anlagen, die im Winter wieder in die Gewächshäuser wandern.

„Villa Laxenburg“ in der Maximilianstraße
Ehemalige Kurpension in der Ludwigstraße mit verschiedenartigen Balkonbrüstungen. Schaut vor Ort einmal auf die alte Reklame, die seitlich an der Wand zu sehen ist!

Stilistisch sind die Villen meist dem Historismus (alles mit „Neu-“ und „Neo-“ im Namen) zuzuordnen. Historismus bedeutet, dass man sich vergangener Stilrichtungen bediente, beispielsweise des Barocks. Besonders Mutige mischten verschiedene historisierende Stile, was man als „Eklektizismus“ bezeichnet. Vereinzelt sind auch Jugendstilvillen darunter, wie die „Glücksburg“ in der Wittelsbacher Straße. Der Jugendstil unterscheidet sich dadurch vom Historismus, dass er eine eigene Stilrichtung mit neuen Formen hervorbrachte. Die Architekten der Meraner und Reichenhaller Villen stammten aus München und Wien sowie aus der näheren Umgebung.

Etagenvilla in der Liebigstraße in Bad Reichenhall: hier mischen sich Elemente verschiedener Stile.
Ehemalige Kurpension in der Mackstrasse mit Neubarocken Elementen

Um 1900 musste wieder etwas Neues her, so orientierte man sich jetzt an den Bauernhäusern der Alpenregion. Villen in Form eines Einfirsthofes wurden mit verschnörkelten Holzbalkonen, Glockentürmchen und verspielten Drechselarbeiten geschmückt, sodass sie den Eindruck gigantischer Almhütten vermittelten. Diese Stilrichtung bezeichnet man als „Schweizerstil“ oder „Tirolerstil“ und findet sich in Bad Reichenhall und oft in Bayerisch Gmain, in Meran vereinzelt.

Villa im „Tirolerstil“ in der Maximilianstraße.
Das „Hotel Pfleger“ in der Wisbacherstraße.

Doch nicht nur Unterkünfte wurden gebaut, im Urlaub braucht es weit mehr an Infrastruktur als nur das Hotel. So leisteten sich beide Städte eine Wandelhalle – in Reichenhall am Kurgarten, in Meran an der Passerpromenade. Wie noch heute in Meran war die ursprüngliche Reichenhaller Wandelhalle ein überdachter Weg, der erst später durch ein geschlossenes Gebäude ersetzt wurde. In beiden Hallen wurden Trinkkuren angeboten, wovon heute noch der Solebrunnen in der Reichenhaller Wandelhalle zeugt. Auch ein Kurhaus für größere Veranstaltungen gönnten sich beide Städte, genau wie ein eigenes Kurorchester mit täglichen Auftritten.

Die Villa Palmina am Kurgarten
Villa in der Mackstrasse

Weil Schwitzen und Sport in gehobenen Kreisen noch nicht sehr beliebt waren (Sissi ausgenommen), baute man kurze Seilbahnen in nur wenig höher gelegene Regionen. Dies ersparte den Gästen den anstrengenden Fußmarsch. In Reichenhall fuhr bis 1914 die Hessingbahn zur „Schönen Aussicht“, direkt ans Wiener Café zu Kaffee und Mehlspeisen. Die Bahn führte von der Friedrichsruhe hinauf nach Bayerisch Gmain. Wo früher das Hotel Schöne Aussicht stand, befindet sich heute das Feuerwehrerholungsheim St. Florian. Der Meraner Sessellift dagegen ist noch in Betrieb und trägt auch heute Besucher über den Küchelberg nach Dorf Tirol.

Sommerhaus in der Ottilienstrasse

Beliebter als steile Aufstiege waren leichte Spaziergänge, die auch als Teil der Kur verordnet wurden. Dazu schuf man in Bad Reichenhall im Bereich der alten Gradierhäuser, wo früher Salz gesotten wurde, einen Kurpark mit Brunnen und schattenspendenden Bäumen. Diese stehen teilweise heute noch und können im Rahmen einer Kurgartenführung kennengelernt werden (Wir haben einen Taschentuchbaum!). Im beengten Meran wichen sie auf den Hang zwischen Zenoberg und Passerufer aus und gestalteten die malerische „Gilfpromenade“ mit subtropischer Bepflanzung.

Die ehemalige Kurpension „Villa Vakuna“ in der Salzburger Straße
Neubarocke Villa in der Mozartstrasse

Auch heute setzen beide Kurorte noch auf Gesundheit und bieten ihren Gästen moderne Thermalbäder an. In Meran entspannt man in Radon-haltigem Wasser in einem schicken Komplex, der von Star-Architekt Matteo Thun geschaffen wurde. In Reichenhall setzen wir dagegen auf unsere bewährte Alpensole, die von der Alten Saline direkt in die RupertusTherme fließt, die sich auch durch ihre phantastische Sauna-Anlage einen Namen gemacht hat.

Boutique Hotel Villa Rein

Ein reich verziertes Treppenhaus begrüßt die Gäste beim Betreten der Villa Rein, die Stufen mit den originalen Belägen knarzen charmant bei jedem Schritt. In den Fluren des Boutique-Hotels finden sich Einbauschränke aus der Gründerzeit und auch die Türen zu den Hotelzimmern stammen noch aus dieser Epoche. Die neue Empfangstheke aus Messing holt zurück in die Gegenwart.

Neun Monate dauerte die Generalsanierung der denkmalgeschützten ehemaligen Kurpension aus dem Jahr 1898. Entstanden ist ein exklusives Hideaway, das zeitgemäßen Ansprüchen an Komfort und Technik gerecht wird und gleichzeitig die Geschichte der Jugendstilvilla würdigt.

Geht bei eurem nächsten Besuch mit offenen Augen durch unsere Alpenstadt, ihr werdet viele Schätze entdecken!

Viel Spaß dabei wünscht euch
Fabi

Hier findet ihr eine Übersicht, wo es sich in der Alpenstadt in entsprechendem Ambiente urlauben lässt:

Kurhotel Alpina
Kur-Residenz Villa Henckel
Parkhotel Luisenbad
Hotel Garni Erika
Hotel Garni Dora
Boutique Hotel Villa Rein

Hotel Garni Bergfried & Schönblick
Hotel Garni Steiermark
Hotel Almrausch
Wyndham Grand Axelmannstein Resort
Hotel Garni Villa Palmina
Karolinenhof
Ferienwohnung am Thermenpark
Villa Bariole
King-Luitpold-Apartment

Quellen:
Lang, Johannes: Drahtseile zum Himmel; Verein für Heimatkunde Bad Reichenhall und Umgebung e.V., Bad Reichenhall, 2008
Pixner-Pertoll, Anna: Ins Licht gebaut – die Meraner Villen; Raetia-Verlag, Bozen, 2009
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkm%C3%A4ler_in_Bad_Reichenhall
Bilder: eigene Aufnahmen

7 Kommentare

  • Sepp

    Danke Fabi, ein sehr informativer Beitrag. Die Villen sind wirklich wunderschön und erzeugen dieses ganz besondere „Alpenstadt-Flair““

  • Oliver

    Hallo Fabi,
    da kann ich dir nur zustimmen, wir waren jetzt zum 6 mal hintereinander in Bad Reichenhall um hier Urlaub zu machen und wir genießen es immer wieder durch den Ort zu laufen und neues zu entdecken. Der Ort ist wie gemacht für einen erholsamen Urlaub und die alten Häuser sind richtig schön. Wir freuen uns schon auf das nächste Jahr da sind wir wieder da.
    Viele Grüße
    Oliver

  • Oliver

    Hallo Fabi,
    das können wir nur bestätigen, wir waren jetzt zum 6 mal hintereinander in Bad Reichenhall um hier Urlaub zu machen und freuen uns immer wieder durch den schönen Ort zu laufen und neues zu entdecken. Bad Reichenhall hat durch diese alten Häuser ein ganz besonderes Flair. Wir freuen uns schon auf das nächste Jahr da sind wir wieder da.
    Viele Grüße
    Oliver

    • Fabi

      > Hallo Oliver,
      das freut mich sehr, wenn es dir auch so geht! In jedem Sträßchen gibt es etwas Neues zu entdecken.
      Dann musst du jetzt fleißig unseren Blog lesen, um die lange Zeit bis zum nächsten Urlaub zu überstehen 😉
      Viele Grüße aus den Bergen und ein schönes Wochenende!
      Fabi

  • Anna Pixner Pertoll

    Vielleicht können Sie auch einen Bezug zu den Parks, Promenaden und Alleen der Stadt Meran mit Bad Reichenhall herstellen.
    Siehe dazu:MERANS GRÜNER SALON.

    Anna Pixner Pertoll

    • Fabi

      Sehr geehrte Frau Pixner-Pertoll,
      vielen Dank für Ihre Antwort! Ihr Vorschlag ist eine wunderbare Idee für einen weiteren Beitrag, den ich gerne nach der Lektüre des Grünen Salons verfassen werde.
      Sonnige Grüße aus den bayerischen Bergen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert