Berge

Der Teufel und die Sennerin

Eine große Runde am Lattengebirge

Trotz Feiertag und Schulferien parken wir morgens früh als erste auf dem Wanderparkplatz Hallturm. Fernab von Touristenströmen beginnen hier einige sehr reizvolle Touren ins Lattengebirge – wir haben uns heute die Steinerne-Agnes-Runde zum Ziel gesetzt.

Die Steinerne Agnes ist vom Bayerischen Landesamt für Umwelt als wertvolles Geotop und Naturdenkmal ausgewiesen. Das interessiert die kleine Wandergefährtin, die mir vorauseilt, meine sechsjährige Tochter, heute nicht so wirklich. Vielmehr wird die Sage, die in unserem schönen blauen Buch „Sagen und Märchen aus dem Berchtesgadener Land“ am Abend vorher als Vorbereitung vorgelesen wurde, hoch und runter diskutiert: Die schöne, keusche und gottesfürchtige Sennerin konnte nur durch Versteinerung vor den Nachstellungen des Teufels gerettet werden. Das ist natürlich Gesprächsstoff für Stunden. Und ja, mit viel Fantasie erkennt man in dem ca. 15 Meter hohen Obelisk aus Ramsaudolomit eine Frauensilhouette mit Hut.

Beim Aufstieg durch den dichten Wald, bleibt meine Tochter stehen und horcht – unten aus dem Tal kommt ein ratterndes Geräusch. „Was könnte das sein?“ grübelt sie. Der angestrengte Ausdruck in ihrem Gesicht lichtet sich in dem Augenblick, in dem es plötzlich schrill pfeift: „Das ist der Zug!“ Die Bayerische Regiobahn (BRB) verbindet Salzburg und den nördlichen Landkreis mit den Bahnhöfen in Bischofswiesen und Berchtesgaden. Den Hallturmer Berg schnauft sie angestrengt herauf, passiert erleichtert die Talenge Hallturm und braust dann erleichtert in Richtung Winkl Land, wo sich den Passagieren ein herrlicher Blick in den inneren Landkreis eröffnet.

Die Zeitangabe auf den gelben Wegweisern passt für uns, die wir bei allen möglichen Gelegenheiten stehen bleiben, genau. Zwei Stunden oder drei lustig hüpfende Laubfrösche, einen Gras(-speer)-Weitwurf-Wettbewerb und 527 Schmetterlingsnamensgebungen später erreichen wir den Rotofensattel.

Die Mulde zwischen Rotofentürme und Signalkopf sieht tatsächlich aus wie ein Sattel auf einem Pferderücken. Aber unter diesen Bezeichnungen kennen eher die Kletterer und Bergsteiger diese Felsformationen. Für meine Tochter sind es Nase, Kinn und die weiblichen Attribute der Schlafenden Hexe. Vom Königsseeschiff aus beispielsweise bietet sich das perfekte Bild auf die „Hex‘“, wie sie da liegt, das lange Haar wallend ins Tal fallend, die hohe Stirn, die hexenartige Zinkennase, das spitze Kinn. Und die Kapitäne am Königssee halten sich dann gerne dabei auf, dass es wohl „…a recht a junge Hex‘“ war.

Ob sich meine Tochter wohl traut, die Hexe in die Nase zu kneifen? Misstrauisch sieht sie mich an und zieht sich lieber zurück: „Nicht, dass sie dann aufwacht!

Wir queren den Lattengebirgshang und genießen die Sonne, die hervorspitzt. Es eröffnen sich wunderschöne Blicke, unter anderem hinüber zum Skilift Götschen, wo wir vor wenigen Monaten noch Ski gefahren sind.

Nach kurzer Zeit haben wir die Steinerne Agnes erreicht. Das Gelände drum herum ist sehr ausgewaschen und so kann ich meiner Tochter leider nicht erlauben, den Steig in die Latschen hinauf zu klettern und den Blick von etwas oberhalb des Obelisks ins weite Tal und zu den Berchtesgadener Berggipfeln zu genießen. Sie ist derweil unten sowieso damit beschäftigt die Abdrücke der Teufelshörner zu suchen. Der war nämlich so in Fahrt, die Sennerin Agnes zu erwischen, dass er, als sie plötzlich versteinert wurde, nicht mehr rechtzeitig abbremsen konnte – so die Sage.

Nach all der fabelhaften Wesen an den Hängen des Lattengebirges steigen wir durch wunderschöne Wälder hinab nach Winkl Land. Unten im Tal queren wir auf dem herrlich abwechslungsreichen, dicht umwachsenen Panoramaweg über Holzbrücken, durch Viehgatter und vorbei an hoch stehenden Wiesen zurück zu Parkplatz.

Die große Runde hat uns müde Beine beschert und wir belohnen uns mit einem großen Eisbecher auf dem Heimweg. Der Steinernen Agnes hätten wir eine Kugel abgegeben. Aber scheinbar ist die Angst vor dem Teufel, dem wir glücklicherweise nicht begegnet sind, noch zu groß – sie rührt sich bis heute nicht.

Ich bin hier aufgewachsen und nach vielen Jahren im außereuropäischen Ausland fast reumütig zurückgekehrt: So schön und spannend es in der großen weiten Welt da draußen auch ist – dahoam in Berchtesgaden ist‘s doch einfach am schönsten! 2014 habe ich angefangen im Tourismus in Berchtesgaden zu arbeiten. Seit Januar 2021 bin ich in der Abteilung Destinationsmanagent im Zweckverband Bergerlebnis Berchtesgaden tätig. Meine kleine Tochter trat 2016 in mein Leben. Mit ihr bin ich viel in den Bergen unterwegs. Sport und Bewegung ist für Kinder so wichtig! Wir beide lieben die Natur und ihr Schutz liegt uns sehr am Herzen. Mit der faszinierenden Tier- und Pflanzenwelt, besonders im Nationalpark Berchtesgaden, gibt es auf unseren Touren jedes Mal aufs Neue unvergessliche Erlebnisse. Schreiben tu ich für mein Leben gern und so freue ich mich, die werten Leserinnen und Leser des Berchtesgaden Blogs zukünftig mit Portraits von besonderen Menschen, Berichten von unseren Wanderungen und kindlichen Gedanken zum Leben in den Berchtesgadener Bergen unterhalten zu dürfen!

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