Watzmann Überschreitung Teil 2

Nach dem Hüttenabend am Sonntag stehen wir am Montag – für Bergsteigerverhältnisse – recht spät auf. Heute steigen wir König Watzmann aufs Dach: Die Watzmann Überschreitung wartet auf uns. Doch zuerst erleben wir auf der Terrasse des Watzmannhaus einen eindrucksvollen Sonnenaufgang. Während hier oben auf fast 2.000 Metern schon wieder bestes Wetter herrscht, ist`s im Tal noch etwas neblig.

Einige Gäste der Hütte sind schon aufgebrochen zum Hocheck, wir lassen uns aber Zeit. Ein ordentliches Frühstück gehört schließlich zu jedem Bergtag.

Als wir fertig gefrühstückt und unsere Sachen gepackt haben, verabschieden wir uns von den Hüttenwirten und dem Hüttenreferenten und machen uns auf den Weg zum Hocheck. Vom Watzmannhaus steigen wir in die grüne Mulde ab und dann auf der anderen Seite in weiten Serpentinen zum Hocheck (2.651m) auf.

Über teilweise losen Schotter erreichen wir den Hochstieg, eine versicherte Felsstufe. Danach wird das Gelände flacher und der Weg führt etwas unterhalb der Abbruchkante zum Watzmannkar am Grat entlang. Im oberen Teil des Aufstiegs ergeben sich imposante Tiefblicke ins Watzmannkar und zu Königssee und Obersee.

Erstaunlicherweise gibt es hier oben nur ganz vereinzelte Schneereste, diese erfordern aber volle Konzentration: ein Ausrutschen kann auch schon am Weg zum Hocheck fatal sein.

Am Hocheck Gipfel erwartet uns eine unglaubliche Fernsicht von mehreren hundert Kilometern.

Vom Hocheck sieht man auch schon das nächste Etappenziel der Watzmann Überschreitung sehr deutlich: Die Mittelspitze ragt in einiger Entfernung empor.

Am Hocheck steht eine kleine Unterstandshütte: hier beginnt die Überschreitung des Watzmanngrates. Gleich am Anfang kommt eine sehr schmale und ausgesetzte, aber gesichterte Stelle. Größtenteils an der Westseite des Grates führt der Weg zur Mittelspitze. Die Überschreitung ist wirklich ein beeindruckendes Erlebnis: auf der linken Seite bricht die Watzmann Ostwand 2.000 Meter nahezu senkrecht bis zum Königssee ab, während auf der Westseite die Westwand des Watzmanns zum Wimbachgries abfällt.

Die letzten Meter zur Mittelspitze, dem höchsten Gipfel des Watzmann, führen nochmal sehr steil über Felsaufschwünge und fordern beherztes Zupacken.

Der Weg vom Hocheck bis zur Mittelspitze (2.713m) ist zwar der leichtere Teil der Überschreitung, darf aber auf keinen Fall unterschätzt werden: Ein Fehltritt am Grat endet 2.000 Meter tiefer! Von der Mittelspitze aus sieht man die Südspitze ganz deutlich und man kann auch den Grat erklennen, der die Gipfel verbindet und uns den heutigen Weg vorgibt.

Obwohl der Höhenunterschied zwischen Mittelspitze und Südspitze nur einen Meter beträgt, ist die Watzmann Überschreitung in diesem Teil ein ständiges Auf und Ab. Summiert müssen zwischen den beiden Gipfeln bestimmt auch 150 Höhenmeter überwunden werden.

Ein gut versicherter Abschnitt führt von der Mittelspitze zum tiefsten Punkt des Watzmanngrates.

Im Gegensatz zum ersten Teil der Überschreitung führt der zweite Teil stellenweise direkt am Grat entlang und weist auch einige längere nicht stahlseilgesicherte Passagen auf.

Auch die Kletterstellen sind etwas schwieriger als auf dem Weg zur Mittelspitze. Im letzten Teil erschwerte zusätzlich noch der Schnee den Aufstieg, der eine steile Rinne sehr rutschig machte. Gerade auf den letzten Metern der Watzmann Überschreitung ist volle Konzentration gefordert. Doch mit dem Gipfel in Reichweite mobilisieren wir zusätzliche Kräfte und erklimmen die Südspitze.

Das Panorama ist überwältigend: Im Osten begrenzen Großglockner und Großvenediger den Horizont, doch nach Westen schweift der Blick fast ins Unendliche. Der Horizont verschwimmt, die Umrisse die man erkennt, gehören wohl zum Karwendel. Absolut beeindruckend! So eine Fernsicht habe ich noch nie erlebt. Und tief unter uns liegt natürlich der Königssee: Die Wiese hinter der Kirche Sankt Bartholomä leuchtet in tiefem Grün und im Obersee spiegeln sich die Teufelshörner

Die Watzmann Überschreitung ist mit Sicherheit eine der schönsten Bergtouren in den Berchtesgadener Alpen. Und eine der schwersten. Es sind aber nicht nur die Länge und die Ausgesetztheit, die diese Tour so anspruchsvoll machen. Es ist besonders der Abstieg von der Südspitze ins Wimbachgries, der noch viele Gefahren birgt. Der Weg führt nämlich durch sehr loses Gestein und vor allem: Auf diesem unbefestigten Weg müssen 1.300 Höhenmeter überwunden werden, bis man kurz hinter der Wimbachgrieshütte im Wimbachtal ankommt.

Ich erspare mir jetzt auch eine genauere Beschreibung des Abstieges in Wimbachgries, sonst fange ich noch zu fluchen an. Die letzten 8 Kilometer von der Wimbachgrieshütte zur Wimbachbrücke erscheinen danach trotz müder Beine und schmerzender Füße wie ein Spaziergang!
Auf alle Fälle: Bedenkt bitte, dass die Watzmann Überschreitung nicht an der Südspitze endet. Man muss auch wieder ins Tal. Und das ist der wirklich unangenehme Teil einer unglaublich schönen, langen und anspruchsvollen Bergtour! Euer Sepp