
Auf den ersten Blick…

…sieht diese Werkstatt aus wie eine Puppenstube. Aber da sitzt ein ausgewachsener junger Mann über sein Arbeitsstück gebeugt, mit der Aussicht auf die Berchtesgadener Fußgängerzone im Rücken, der einen Beruf ausübt, der ihm sichtbar Freude macht und über den er auch ganz viel erzählen kann. Es ist der ausgesprochen fesche Lederhosenmacher Engelbert Aigner, der sein Handwerk auf die gleiche Weise und mit denselben Werkzeugen ausübt, wie es schon seine Vorgänger vor Jahrzehnten und womöglich Jahrhunderten getan haben. Eine Stunde hat er sich für uns Zeit genommen, morgens um acht, bevor er seinen Laden aufsperrt, und uns die einzelnen Schritte gezeigt und erklärt, wie von einem besonders weichen, “sämisch” gegerbten Hirschfell eine maßgeschneiderte und aufwändig per Hand bestickte, einmalige Lederhose entsteht. Ein Unikat, das ihren Träger durch sein ganzes Leben begleitet, und sogar an Söhne und Enkel vererbt wird.

Zwei Hirschen braucht man für eine Lederhose, weil nur der mittlere Kern eines Hirschfells verarbeitet wird. Am Anfang ist das Leder dunkel, schwarz oder braun, mit der Zeit wird es immer heller. Ist das Maß eines Lederhosen-Aspiranten einmal genommen, werden die Lederteile maßgenau mit einem Zeichenbein aus Kuhhorn – das der Guggenberger Mario aus Berchtesgaden fertigt – angezeichnet und zugeschnitten.

Alle Teile, die bestickt werden, werden auf Papier oder Leinen aufgebügelt, damit sie sich beim Sticken nicht verziehen. Dazwischen kommt eine dünne Schicht handgemachter Leim aus Roggenmehl und heißem Wasser.

Dann wird mithilfe einer Schablone und einem Kreidepulver das gewünschte Muster – meist Eichen- oder Weinlaub oder auch Edelweiß – auf das Leder gepudert und die Linien mit Gummi Arabicum und einer Entenfeder nachgezeichnet.

Im Schrank werden dann die einzelnen Päckchen mit den zugeschnittenen und gebügelten Lederteilen gesammelt. Jedes Paket trägt den Namen des Kunden und alle nötigen Daten.

Die Stickerinnen holen sich die Päckchen nacheinander ab und besticken sie mit grünem oder gelbem, auch beigem Garn aus reiner Maulbeerseide. Sind die Teile bestickt, werden sie zusammengenäht, versäubert und dann kann der stolze Besitzer sie abholen.

Wer jetzt Lust bekommen hat, sich auch so eine Lederhose machen zu lassen, dem sei vorsichtig gesagt, dass die Wartezeit zwischen Maß nehmen, Auftrag annehmen, Anzahlung leisten und Hose abholen beim Aigner Engelbert ca. 2 Jahre dauert. Aber: Es lohnt sich auf jeden Fall! Und, keine Angst vor eventuellen Gewichtsschwankungen: Nach Ablauf der Wartezeit und vor dem Nähen wird noch einmal, zur Sicherheit, nachgemessen.
In jeder Aigner-Lederhose stecken ca. 10 Stunden Näharbeit plus mindestens 15 Stunden Stickarbeit, je nach Muster und Aufwand auch noch viel mehr. So entstehen pro Woche ca. 5 bis 10 Lederhosen in dieser Werkstatt, in der ein junges Team einen uralten, aber lebendigen Beruf ausübt.

Und bis jetzt hat noch jeder Aspirant seine Lederhose auch wirklich abgeholt. Nur einmal, erzählt der Engelbert, sei einer nicht gekommen und er konnte ihn auch telefonisch nicht erreichen. Einen Sommer später kam er dann doch und erzählte, er habe sich bei einem Bergunfall fast alle Knochen gebrochen. Sobald er im Jahr darauf wieder laufen konnte, machte er sich auf den Weg zum Aigner, um sich seine Lederhose abzuholen.
Lederhosen und Trachtenbekleidung Engelbert Aigner, Metzgerstraße 1, 83471 Berchtesgaden, Tel.: 08652 8539


11 Kommentare
Sepp
Danke Lisa für den schönen Beitrag. Ich habe heuer im Frühjahr meine neue Lederhose vom Engelbert gekriegt, ein echter Traum!
Lisa
In dem Fall beneide ich euch Männer 😉 Eine Lederhose vom Aigner ist wirklich ein tolles Stück!
Norbert Herrling
Ein toller Beitrag vor ein paar Tagen war ich dort. Im September gibts eine neue Lederhose. Dieser Laden ist zu empfehlen.
Lisa
Ja, alles traditionelles Handwerk und nur beste, naturbelassene Zutaten. Hat natürlich seinen Preis, ist ihn aber auch wert, finde ich.
trachtenhimmel
Tolle Bilder und Beitrag jetzt weis man erst mal wieviel Arbeit so eine Lederhose macht.
Ralf
Toller Artikel! Habe vor Kurzem meine Lederhose beim Engelbert abgeholt. In diesem Laden erlebt und spürt man die Leidenschaft zur Tradition. Aigner-Lederhosen sind einfach die geilsten die es in unserem Freistaat Bayern gibt.
Martin Berg
Habe vor 6 Wochen meine Lederhose bestellt und freue mich schon auf das gute Stück 🙂
Lisa
Dann wünsche ich viel Vorfreude!
Dirndlfan Günni
Danke, sehr schöner Bericht. Bin echt froh, dass das Handwerk weiter lebt und immer noch Leute nachkommen, die sich nicht zu schade sind für Arbeit und handwerkliche Fähigkeiten. Und danke, dass ihr über solche Leute wie den Aigner berichtet.
Kosa Liebhard
Die Handwerkskunst vom Aigner, einfach genial, großartig !!! Es zeigt die
Verbundenheit mit Tradition über Generationen. Was mir zur Lederhose fehlt
ist für Damen und Kinder das Oberteil, welches nicht minder in handwerklicher Tradition gefertigt wird. Die Lederhose ist nur ein Teil des
Ganzen. Die original Berchtesgadener ist in Gefahr in Vergessenheit zu
geraten. Schaut sie euch an unter http://www.berchtesgadener.at und werdet
nicht müde mir zu schreiben, dem letzten Hersteller dieses Unikats.
Britta
Was für ein toller Beitrag, auch die Fotos sind sehr schön. Das macht richtig Lust, mal wieder in die Alpen zu fahren. Liebe Grüße aus Hamburg