
Predigtstuhl Überschreitung

Predigtstuhl Überschreitung über steinerne Agnes
Schon lange stand der Predigtstuhl auf meiner Liste. Als Einheimische noch nie dort oben gewesen zu sein hat mich immer etwas beschämt. Wie gern wollte ich einmal mit der Seilbahn fahren, aber selbst mit der Einladung auf einen Kaffee konnte ich meine Mutter nicht für die älterste, in Original erhaltene Seilbahn der Welt begeistern. Alleine fahren fand ich langweilig und 22,- Euro für den Spaß zu teuer. Blieb nur der Fußweg. Oft bin ich in den letzten Jahren den Dötzenkopf rauf und runter und hab nach einen Pfad zum Predigtstuhl Ausschau gehalten. Gefunden hab ich ihn trotz Karte nie. Doch letztes Jahr – ich ging mit Helga und Matthias zur steinernen Agnes, wies das Schild dort weiter zum Predigtstuhl. Das behielt ich im Hinterkopf – die Agnes würde mir den Weg hinauf zum Predigtstuhl sichern. Dieses Vorhaben ließ mich nicht mehr los. Und erst vor ein paar Wochen saß ich auf der Terrasse der Tagesbar vom Juhasz, zeigte mit dem Finger zum Predigtstuhl und erklärte entschlossen einer Bekannten. »Da aufi mag i heuer gehen.«
Jetzt war die Zeit reif. Ich wollte, musste hoch – es galt mir selbst etwas zu beweisen. Von Freilassing aus kommend über den Hammerauer Berg erstreckt sich eindrucksvoll das Lattengebirge. Ein mulmiges Gefühl beschlich mich. Meine Kondition lag im bescheidenen Bereich im Vergleich zur damaligen Agnesbesteigung – und haben wir damals nicht auch ein wenig gejammert, weil es zwei Stunden permanent aufwärts ging? Kurzentschlossen, um acht Uhr früh, entscheidet sich meine Freundin Ursi mitzukommen, wodurch ein Vorteil klar auf der Hand lag: zwei Autos. Ich parkte meines bei der Predigtstuhlbahn, hüpfte in Ursis VW und zusammen fuhren wir nach Hallthurm zum Wanderparkplatz. Der Plan simpel: Rauf zur Agnes, rüber zum Predigtstuhl, mit der Seilbahn runter. Statt den Bus mein Auto nehmen und Ursis Auto holen. Gesagt getan. Der Aufstieg zur Agnes hatte nichts an seiner schweißtreibenden Steigung verloren. Der erste Aussichtspunkt versöhnt jedoch mit einem tollen Blick hinab ins Land.

Als wir unterhalb der Agnes ankommen, wartet dort bereits eine Gruppe Wanderer. Wir bleiben für einen kurzen Plausch und beschließen für unsere Rast einen etwas ruhigeren Ort aufzusuchen. Also weiter des Weges. Ein umgeknickter Baum ragt mit seinen Ästen über den Weg und zaubert einen verwunschenen Durchgang. Seine noch grünen Blätter streifen unsere Köpfe. Den weichen Trampelweg am Hang folgend umgibt uns eine wunderbare Aussicht auf die Berge.



Wir passieren einen kurzen Bachlauf. Ich nutze die Gelegenheit und fülle meine Trinkflasche mit dem Quellwasser auf, das erfrischend kühl schmeckt. Ein Stück sonnenbeschienene Wiese liegt vor uns, bevor der Weg erneut in den Wald hinein führt. Unweit des Weges, zwei, drei Meter abseits, finde ich den perfekten Rastplatz – ein entwurzelter Baum, dessen Stamm hüfthoch über den Boden schwebt. Sein Stamm ist stark und breit. Ich schnalle den Rucksack ab, hieve mich hoch und bitte Ursi es mir gleich zu tun. Lächelnd lehnt sie ab. Sie zieht ein Sitzkissen aus ihrem Rucksack und nimmt lieber auf dem weichen Erdboden Platz. Nach einer halbstündigen Rast geht es gestärkt weiter.,
Nach dem Abschnitt durch den Wald beginnt ein Aufstieg inmitten Latschenkiefern hinauf ins Gebirge, die in einen schmalen Pfad münden. Und immer wieder Felsbrocken, über die man steigt. Die Sonne brennt unerlässlich herab, die gefüllte Trinkflasche ist bald geleert – meine rechte Schulter zwickt. Innerlich wechselt sich eine jammervolle Stimme mit Durchhalteparolen ab. Schließlich erreichen wir die Weggabelung. Predigtstuhl gerade aus. Karkopf links. »Wollen wir?«, fragt Ursi und deutet zum Karkopf hoch. »Freilich, heute nehmen wir alles mit« antworte ich und jubeliere innerlich. Fünf Minuten steht auf dem gelben Schild geschrieben. Dann müssten wir ja in zwei Minuten am Gipfel sein. Fünf Minuten können sich lange hinziehen, wenn es nur bergauf geht … Am Gipfelkreuz erschrecke ich kurz über die vielen Wanderer, werfe ein »Grias eich!« in die Runde und genieße mit Ursi die Aussicht.
Immerhin 1738m. Wir bitten eine Frau mit Hund um ein Gipfel Foto und suchen uns einen Platz zum Rasten.

Ich setze mich auf den Boden und stelle die Füße auf den ausgetreten Weg darunter. Dann rutsche ich mit dem Po eine Etage tiefer, sodass ich auf dem Weg sitze, die Beine in den Wiesenhang hinein ragen und ich meinen Rücken an den Berg anlehne. Genial. Ursi bleibt derweil bei der Frau mit Hund stehen und berichtet von unserer Tour. »Wie genau sind wir nochmal gegangen, Sabrina?«, fragt sie mich lachend. Ich halte meine Thermoskanne zwischen den Beinen eingeklemmt und zeige hinab zum Felsen, der das Gesicht der schlafenden Hexe markiert. »Von Hallthurm zur Agnes, an der Mitte vorbei, auf dieser Seite entlang und von hinten hier hoch«, kurz nippe ich am Tee und nicke runter »Da kann man sie eh sehen, die steinerne Agnes.«
Fragende Blicke, meinen Finger folgend versuchen sie die Gesteinsformation auszumachen, die wie eine Sennerin aussehen soll. Der Mann der Frau mit Hund hat zum Glück ein Fernglas dabei und nach kurzer Suche ruft er ein »Ja, ich sehe sie!« Ich lächle zufrieden. Wer Agnes einmal sieht wird sie immer sehen, auch wenn sie hier wirklich winzig aussieht – man kann sie mit bloßen Auge vom Gipfel erkennen. Wir bleiben etwa 20 Minuten, ich fülle etwas Tee in Ursis Trinkflasche – unsere Trinkvorräte neigen sich dem Ende. Zeit für ein Radler in der Hütte. Der Weg zum Hochschlegel verläuft angenehm abwärts. Eine Stelle zeigt den klaffenden Abgrund. Wir aber marschieren auf gesicherten, festen Wegen.


Je näher wir der Schlegelmulde kommen, um so mehr Menschen finden sich ein. Ein paar Dolden begleiten uns mit Gesang, bevor das Stimmengewirr der Touristen überwiegt. Meine Sinne sind von dem plötzlichen Zugang auf der Alm überfordert. Die Aussicht jedoch bleibt grandios.
Die Ruhe und Stille des Weges werden je von Trubel und Gewusel der Almbesucher unterbrochen. Fühlt sich an wie a Watschn ins G´sicht. Ursi und ich vertagen unser Radler lieber am Predigtstuhl einzunehmen. Die Menschen in Jeans und Turnschuhen lassen uns beim schnellen Abstieg dankenswerter Weise vorbei.

Da ist er also, der Predigtstuhl! Hab ich mir immer größer vorgestellt. Radler bekommen wir hier leider auch keins. Zu groß ist der Andrang. Zu lange werden wir im inneren von dem Servicepersonal ignoriert. Als wir schließlich eine Bestellung aufgeben könnten, entscheiden wir uns die acht Minuten spätere Bahn zu nehmen. Schade, denn das feine Essen, das unter Gloschen serviert wird sah zum Anbeißen aus. Ursi und ich schlendern also hinüber zur Gondel um erschreckend festzustellen, dass hier gut vierzig Leute auf die Abfahrt warten. Eine Tafel informiert, dass man die Tickets im Restaurant zahlen soll. Zum Glück gibt´s einen direkten Durchgang. Die Schankfrau nickt, weist uns aber darauf hin, dass es einen Moment dauert. Sie hat sichtlich alle Hände voll zu tun. Wir üben uns in Geduld, als wir von einen fremden Mann angesprochen werden. »Braucht ihr eine Fahrkarte?« Langsames Nicken von Ursi.
Der Mann, mit Shorts, kurzgeschorenes Haar, streckt uns seine Berg und Talfahrtkarte entgegen. Er wolle lieber zu Fuß hinab gehen und bräuchte die Karte nicht mehr. Für 10 Euro gehöre sie uns. Ich komme mir vor, wie auf dem Schwarzmarkt, aber Ursi kauft die Karte und gibt mir zwei Euro für meine reguläre Talfahrt, die mit 14,- Euro immer noch recht gschmackig ist. Zurück im Warteraum ist die Menschenmenge bereits auf gut 60 Leute angewachsen. Jemand stellt laut die Frage, wie viele in eine Gondel reinpassen. 25 Menschen können Platz fassen, die Fahrten finden immer halbstündlich statt. Uns wird klar, dass wir die nächste und wahrscheinlich auch die übernächste Gondel nicht bekommen werden.

Zum Glück fährt die Grande Dame heute im zehn Minuten Takt und die Wartezeit hält sich in Grenzen. Tür auf, Tür zu. Einsteigen und den Blick von oben auf den Thumsee und Salachsee genießen.
Eure Sabrina


4 Kommentare
Sepp
Danke Sabrina, so schöne Bilder!
Sabrina
> Danke, Sepp. Fühl mich geschmeichelt, wenn das von jemanden kommt, der auch immer tolle Aufnahmen macht! 🙂
Nicole
Liebe Sabrina,
meinst du das diese Tour auch mit einem Hund zu machen ist. Bergtauglich ist er, aber ich gehe nur ungern Wege, bei denen über längere Zeit Absturzgefahr herrscht.
LG Nicole
Sabrina Moriggl
Liebe Nicole,
hast du deinen Hund an der Leine? Oder ist er ein wilder Freigänger? Für einen bergerfahrenen, voranlaufenden Hund ist die Überschreitung kein Problem. Man findet streckenweise Wasser, sowie auch Schatten.
Ich empfehle jedoch oben, für den Predigtstuhl selbst eine Leine mitzuführen, da dort ein reger Zugang an Wanderer und Touristen herrscht.
Bitte bedenke auch, dass die Fahrt mit der Predigtstuhlbahn hinab ins Tal sehr beengt ist, man steht da in manchen Fällen auf kleinsten Raum wirklich Schulter an Schulter.