Und ich kämpfe mit meinen fünf Nadeln.
Kultur

Trachtenstrumpfstrickkurs beim Pidinger Trachtenverein D‘Staufenecker

„Strickkurs für Trachtenstrümpfe“: An einem kalten Januarmorgen fällt mir beim Durchforsten der regionalen Medien diese Schlagzeile ins Auge „Einen Strickkurs für Trachtenstrümpfe unter der Anleitung von Carmen Freimanner hat der Trachtenverein D’Staufenecker für seine Mitglieder organisiert. Auch Strickanfänger sind willkommen.“ Gestrickt habe ich schon ewig nicht mehr, nach einem Anruf bei Carmen sinkt die Hemmschwelle und ich fahre also zum ersten Kursabend ins Haus der Vereine in Piding.

Carmen freut sich über das rege Interesse. Doch bevor sie mit ihren Ausführungen beginnt, wechselt sie die Lampen über den Tischen aus. Denn beim Stricken braucht man optimale Lichtverhältnisse und so dreht sie leistungsstarke Glühbirnen in die Fassungen. Und dann geht es auch schon los: jede Teilnehmerin erhält eine Sockentabelle, aus der die genauen Maschenanzahl für Schuhgröße, Wadendicke und Ferse hervorgeht. Bevor überhaupt mit dem Stricken begonnen wird, muss also Maß genommen werden. Und ja, die Trachtenstrümpfe werden nur für die Buben und Männer gestrickt, die Damen tragen Strumpfhosen.


Trachtenstrümpfe werden mit zweieinhalber Nadeln gestrickt, jeder Trachtenverein hat seine eigene, graue Sockenfarbe und sein eigenes Strickmuster. Am ersten Abend sind wir zu acht und die Teilnehmerinnen kommen nicht nur von den D’Staufeneckern sondern auch von den D’Grenzler Marzoll und vom Trachtenverein Anger-Höglwörth. Hier lerne ich auch schon den Unterschied zwischen den Vereinen im Rupertiwinkel und im Berchtesgadener Talkessel kennen: im Rupertiwinkel werden neben der Hauptfarbe grau auch grüne Elemente in die Socken gestrickt.

Die Aktivengruppe – schön zu erkennen sind hier die Trachtenstrümpfe mit den grün gefassten Stulpen. © Trachtenverein D’Staufenecker Piding

Beim Maschenanschlagen schaut mir Carmen auf die Finger und empfiehlt „Christina, Du strickst normale Socken“. Recht hat sie, ich bin schwer mit zwei links zwei rechts stricken beschäftigt und die fünf Nadeln in meinen zwei Händen muss ich erst mal in den Griff bekommen. Da wäre ich mit dem Zopfmuster mehr als überfordert. Ich fühle mich in der Strickrunde richtig wohl, Carmen geht auf die Fragen der Teilnehmerinnen ein und dazwischen wird beim Stricken gemütlich geratscht.


Carmen strickt schon immer, für ein Paar Trachtenstrümpfe braucht sie knapp 30 Stunden. Für diverse Krankenhäuser hat Carmen unzählige Häubchen und Sockerl gestrickt. Rosemarie aus Anger hat halbfertige Strümpfe mitgebracht, sie möchte nun mit Hilfe von Carmen diese zu Ende bringen, nachdem die Strümpfe unvollendet ein paar Jahre in der Ecke gelegen sind. Andere beginnen heute Abend mit neuen Strümpfen, sie sind dankbar für das Kursangebot und die Anleitung durch Carmen. Mit Margit ist noch eine Wiedereinsteigerin am Start, sie möchte Trachtenstrümpfe für ihren jugendlichen Sohn stricken. Tine strickt als einzige mit Stahlnadeln, die hat sie von ihrer Oma bekommen und von ihrer Ecke klappert es auch richtig nett. Alle anderen werkeln mit Bambusnadeln. Nach gut drei Stunden löst sich die Runde auf.


So mache ich mich also Woche für Woche nach Piding auf und stricke an meinen einfachen Wollsocken (zwei links zwei rechts), bin schwer beeindruckt, wie flink meine Mitstreiterinnen vorankommen und genieße die gesellige Runde im Haus der Vereine in Piding. Das Vollenden der ersten gestrickten Ferse freut mich total und beim Fertigstricken dieser einen Socke bin ich richtig stolz auf mich. Carmen steht mit Rat und Tat zur Seite, bei Fehlern ist sie allerdings rigoros: entweder wird „zurückgestrickt“ (voll mühsam) oder aufgetrennt (das schmerzt beim Zuschauen). Damit sich beim Zopfstricken keiner verzählt, empfiehlt sie das Führen einer Stricherlliste und den Einsatz eines bunten Fadens, damit die Strickerin rechtzeitig die Maschen für das Muster setzt.


Im Lauf der Wochen lichtet sich die Teilnehmerzahl, Mitte März sind die ersten Trachtenstrümpfe fertig und die Treffen finden nun in immer kleinerer Runde bei Carmen zu Hause statt. Beim letzten offiziellen Kursabend im April ist es auch bei mir endlich soweit: die zweite Socke ist fertig und ich nehme ein Paar selbstgestrickter Socken mit nach Hause. Dort erwartet mich mein jugendlicher Sohn, der sie gleich anprobieren möchte. Nachdem sie ihm perfekt passen, hat mein Mann leider das Nachsehen bzw. ich den Auftrag, noch ein Paar zu stricken.


Herzlichen Dank an Carmen für die geduldige Anleitung und auch an alle Teilnehmerinnen, dass sie mich so herzlich in ihre Runde aufgenommen haben – es hat mir echt große Freude bereitet.

Trachtenverein D’Staufenecker Piding

Der Verein wurde 1906 gegründet. Namensgebend war die mittelalterliche Burg Staufeneck am Fuße des Hochstaufens. Die Tracht war in den ersten Jahren noch nicht einheitlich, Merkmale waren zunächst die graue Joppe und runde Hüte mit Adlerflaum oder Gamsbart.

Dieses Bild stammt aus dem Gründungsjahr 1906. © Trachtenverein D’Staufenecker Piding

Erst ab Mitte der 1930er Jahre zeigte sich der Verein in einheitlicher Tracht und dies seither unverändert: Die Männer tragen grüne Joppe, grünen Dreilochhut mit Gamsbart und graue Kniestrümpfe mit grün gefassten Stulpen, dazu gibt es auch noch den grünen Anzug als Festtagsgwand. Die Frauentracht ist für die Region typisch ein ländliches Festtagsgewand mit hellblauen Schürzen. Die Anzahl der Mitglieder wächst seit Bestehen des Vereins stetig an, seit der Gründung 1906 mit 12 Gründungsmitgliedern sind es mittlerweile knapp 450.

Der ursprüngliche Sinn des Vereinsgründung war die Plattlergruppe. Auch heute sind die Aktiven sowie die Kinder- und Jugendgruppe ein wesentlicher Faktor und der Stolz des Vereins. Es ist das Bestreben des Vereins, durch Förderung der Kinder-, Jugend- und Aktivengruppe zur Erhaltung des Brauchtums beizutragen. Die Pflege der bayerischen Sprache, der überlieferten Lieder, der Musik und Tänze sind ein unverzichtbarer Bestandteil zur Erhaltung der heimischen Kultur.

Mehr zum Trachtenverein

Als Zugereiste komme ich mit dem neugierigen Blick von außen. Die Menschen in Berchtesgaden haben es mir angetan, ich mag sie. Ich bewundere die Leidenschaft und die Verbundenheit der Einheimischen zu ihrer Heimat und ihren Traditionen. Das ist etwas Besonderes. Gleichzeitig lerne ich die Region immer besser kennen und erzähle von meinen Erlebnisse sehr gerne in diesem Blog.

One Comment

  • Gisela Franke

    Liebe Christina, vielen Dank für deinen schönen Artikel über eine echte Tradition. Mir gefällt Stricken auch und es ist für mich so viel mehr als nur die reine Herstellung von Socken oder anderer Kleidung. Für mich ist es auch immer ein soziales Ereignis. Ich komme mit guten Bekannten oder Freunden zusammen und wir verbringen eine tolle Zeit. Es hat dann auch immer etwas mit der Weitergabe von Handwerkskunst und Wissen zu tun. Das finde ich großartig und sehr schützenswert. Und wenn die Strickerei am Ende dem Trachtenverein dient, ist das auch wunderbar. Schön ist auch, dass immer (mehr) junge Leute nachkommen.

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