Gamsbrunft am Untersberg

Die Schneeflächen in den Hochlagen des Untersbergs sind wie immer durchzogen von den Spuren der Gämsen, die hier an der langgezogenen Südwand ihre Einstände haben. Doch zwischen den normalen Fährten herumziehender Tiere, die meist relativ flach und mit geringen Trittabständen verlaufen, finden sich mit dem Fernglas auch immer wieder völlig andere Spuren. Fast in Falllinie ziehen sie sich die Hänge hinauf und hinunter, und mit den etwa einen Meter messenden Abständen zwischen den Abdrücken zeugen sie von den rasanten Verfolgungsjagden der brünftigen Böcke.
Beginn der Kämpfe
Treffen zwei annähernd gleich große Böcke bei einem Geißrudel aufeinander, so beginnt zuerst ein Zurschaustellen mit gesträubtem Fell, vor allem die Rückenhaare des „Gamsbarts“ werden dabei aufgerichtet. Im Gegensatz zu Stein- oder Rotwild, wo bereits das Gehörn bzw. Geweih Auskunft über Alter und Kondition des Trägers gibt, haben die Krucken der Gämsen keine Statusfunktion. Selbst Böcke die z.B. durch Steinschlag ein oder gleich beide Hörner verloren haben, können in der Brunft bei ansonsten guter Verfassung zum Zug kommen.

Wilde Hetzjagd an den Hängen
Wenn keiner der beiden Konkurrenten beim Breitseiten-Imponieren und kraftstrotzendem Umschreiten eindeutig unterlegen ist, beginnt der dramatische Teil der Konfrontation. Um den jeweils anderen zur Aufgabe zu zwingen, hetzen sich die Böcke unvermittelt gegenseitig in halsbrecherischer Geschwindigkeit über die Schnee- und Felshänge. Oft wechseln dabei die Rollen zwischen Jäger und Gejagtem plötzlich, und die Krucken werden immer wieder als Reißhaken verwendet, um dem Gegner teils tiefe Wunden zuzufügen. Der Sieger kehrt schließlich zu seinem Geißrudel zurück während der Unterlegene entkräftet davonzieht.
Körperliche Anpassungen
Diese Hetzjagden über mehrere hundert Höhenmeter hinauf und hinab sind nur durch die entsprechend leistungsfähige Physiologie der Böcke möglich. So sind z.B. Herz und Lunge bei den Gämsen etwa so groß wie beim Menschen, obwohl das Wild nur ca. 1/3 unserer Körpermasse hat. Dennoch zehren die wenigen Wochen der Brunft stark an den Böcken, von denen viele dabei den Großteil ihrer sommerlichen Fettreserven verbrauchen und entsprechend geschwächt in den langen Bergwinter gehen…
