Michi Geistlinger an der Gattersäge
Menschen

Die sechste Generation

Bereits als Bub hat er die Leidenschaft für Holz entdeckt. Das beweist sein „Meisterstückerl“, das unaufgeregt neben dem Büroeingang platziert ist.

Seit gut fünf Jahren packt er im eigenen Familienbetrieb an. Michi Geistlinger ist damit die sechste Generation, die im 1850 gegründeten Sägewerk in der Oberau bei Berchtesgaden stattliche Baumstämme zu stabilen Balken, langlebigen Brettern und hochwertigen Fußböden verarbeitet. Wer den 29jährigen dort oben besucht, glaubt schnell zu verstehen, was den jungen Mann hier am Saghäusl und an seinem Heimatort hält.

Die fünf Generationen vor ihm und ganz besonders sein Vater Wolfgang haben es verstanden, nicht nur das Wissen um die Holzgewinnung und –verarbeitung in der Familie weiterzugeben, sondern auch das Herzblut und Gespür für diesen so einzigartigen Werkstoff (oder besser Wertstoff).

Überzeugt gehen sie hier einen eigenen Weg und lassen sich diesen vom Mond weisen. „Wir arbeiten schon sehr lange mit Mondholz. Vor ein paar Jahren Jahren haben wir dann bewusst unseren Schwerpunkt daraufgelegt. Die positiven Eigenschaften dieses Holzes und die Begeisterung unserer Kunden bestätigen immer wieder, dass diese Entscheidung für uns genau richtig war.“, erklärt Michi.

Der passende Zeitpunkt, um das Holz zu schlagen, ist sehr genau definiert: Winter, abnehmender Mond im Sternzeichen des Steinbocks. In diesem Jahr waren das acht Tage. Aber es gibt auch Jahre, in denen man noch deutlich weniger Zeit hat, das Material für die kommenden zwölf Monate zu sichern. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Lieferanten, seien es Waldbauern oder Forstleute, ist daher ebenso wichtig wie die teils persönliche Auswahl der Bäume oder die Vorbereitung der Lagerfläche.

Selbstverständlich ist für Michi und Wolfgang, dass sie ihr Holz aus der direkten Umgebung erwerben, zum Beispiel aus dem Rostwald oder Maria Gern. Dafür ist das Produkt, das am Ende das Saghäusl verlässt, in seiner Qualität kaum zu überbieten.

Wohl deswegen hat man sich auch beim Kulturhof Stanggass, der derzeit am Ortsrand von Berchtesgaden entsteht, für Mondholz aus dem Saghäusl entschieden. Die Bäume, zum richtigen Zeitpunkt geschlagen, stammen aus dem eigenen Wald des Bauherrn Bartl Wimmer und wurden von Wolfgang und Michi optimal aufbereitet.

Gemeinsam mit Thomas, dem dritten Mann im Saghäusl, stellt Michi die Gattersäge ein.

Diese ist fast so alt wie sein eigener Vater.

Noch älter sind die Tannen, die damit verarbeitet werden: 160 bis 200 Jahre! Das heißt, viele haben ihre Babywurzeln im weichen Waldboden ausgestreckt, als der erste Sagler im Saghäusl zum ersten Mal seine Säge angeworfen hat.

Seit vier Jahren fertigen die Geistlingers auch erstklassige Massivholzböden, auf denen selbst frau angeblich keine kalten Füße bekommt. Das konnten wir auf die Schnelle nicht prüfen, wohl aber das echt gute Gefühl, darauf barfuß zu gehen.

Dieser Boden ist aus Tanne. Deutlich markanter sind die Böden aus Eschenholz mit ihrem dunklen Kern und dem hellen Splint.

Wir können uns nur schwer verabschieden. Der Duft des frisch geschnittenen Holzes, das ruhige und vertraute Miteinander von Vater und Sohn, die warme Frühlingsonne, der Blick hinüber zum Untersberg …. wenn wie beim Kochen auch beim Holzschnitt die Stimmung auf das Endprodukt wirkt, ja, dann ist das Mondholz aus dem Saghäusl wohl das einzige, das man im eigenen Haus verarbeiten will.

Beim Michi jedenfalls wird das Erbe seiner Vorfahren sicher in besten Händen sein, wenn er hier einmal die alleinige Verantwortung trägt. Nun, ganz allein wird er nie sein. Neben seiner Mutter im Büro, seinem Vater und Thomas, dem einzigen Angestellten, packen Bruder Christoph und Schwager Valentin auch weiterhin mit an, wenn es eng wird.

Wir werden seinen Weg und den des Saghäusls auf jeden Fall verfolgen.

Sepp und Ursula

Ich verstehe mich als berchtesgadnerische Königsseerin – oder umgekehrt. In Berchtesgaden entdecke ich immer wieder Neues oder genieße Altbekanntes. Egal ob in einer zünftigen Wirtschaft, oben am Berg, an einem eiskalten Gebirgsbacherl oder bei kulturellen Experimenten. Und alles, was ich kenne und schätze, das vermittle ich mit Enthusiasmus an Journalisten und andere, die es hören oder lesen wollen. Bis auf ein paar wenige echte Geheimtipps :)

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