Kultur

Die ganz besondere Hochzeitsfeier

Eingeladen zu einer Bauernhochzeit in Berchtesgaden

Berchtesgaden ist nicht nur aufgrund seiner einmaligen Schönheit so besonders. Auch die vielen Bräuche und Gepflogenheiten machen es zu dem, was es ist. Selbst das Heiraten ist bei uns ganz speziell. Heute darf ich Euch von einer Bauernhochzeit erzählen.

Alles begann vor ein paar Wochen. Es klingelte, es war abends. Wer kommt denn jetzt noch? Mein Mann schaut aus dem Fenster – die Hochzeitslader stehen vor der Tür! Schnell beseitigen wir das Chaos, so gut es bei zwei Kindern im Haushalt eben geht, und öffnen die Tür. Davor stehen Magdalena und Bernhard in der wunderschönen Berchtesgadener Tracht. Im Mundart-Gsatzl, einem Vers im Dialekt, der auf Seits so guad endet, und mit Handschlag laden sie uns zur Bauernhochzeit ein und überreichen uns eine Einladungskarte.

Juhuu! Bald wird es wieder eine große Bauernhochzeit geben und wir sind eingeladen. Wir freuen uns sehr und trinken darauf mit dem künftigen Brautpaar gleich ein Schnapserl der Enzianbrennerei Grassl. Die Kinder sind ganz aufgeregt und überlegen schon ihr Verserl zum Kinderdank. Mehr dazu später.

An einem verregneten Samstag im April ist es soweit. Wie es sich gehört, werden die Brautleute von den Weihnachtsschützen mit ihren Böllern um 4 Uhr morgens geweckt. Weil es so früh ist, bekommen sie gleich eine Brotzeit und was gegen den Durst – natürlich vom hiesigen Hofbrauhaus.

Bei uns zu Hause läuft währenddessen alles auf Hochtouren. Jeder muss sich fesch in der Tracht kleiden. Die verheirateten Frauen tragen das Röcki, eine besonders feine Jacke des Festtagsgewand der Frauen, und den Hut. Alle Frauen tragen heute die Zepf, die in einer Art Gretchenfrisur hochgesteckt werden. Die Männer gehen in der langen schwarzen Hose. Auf der Einladungskarte steht die Zeit für den Frühdank, der um 9.30 Uhr im Pfarrhof in Marktschellenberg stattfindet. Wir haben es tatsächlich pünktlich geschafft und stehen schon an, um dem Brautpaar „Grüß Gott!“ zu sagen. Leider regnet es. Aber das hält die Hochzeitsfotografin nicht davon ab, einen gelungenen Schnappschuss von uns zu machen.

Magdalena, die Braut, sieht besonders fesch aus. Bei einer Bauernhochzeit trägt auch die Braut die Berchtesgadener Tracht. Allerdings ist ihr Rock bodenlang und mit einer besonders feinen Schürze und passendem Tuch. Das sogenannte Firschterbandl, das Schürzenband, wird je nachdem, ob die Frau unverheiratet oder verheiratet ist, links oder rechts getragen. Magdalena trägt es bei ihrer Hochzeit das letzte Mal links. Ihr Firschterbandl ist aufwändig und wunderschön handbemalt mit den Anfangsbuchstaben ihres Namens und dem des Bräutigams.

Die Kranzlleut sind bei allen Bauernhochzeiten zwei unverheiratete Paare, die bei der Hochzeit Aufgaben wie die Trauzeugen bei herkömmlichen Hochzeiten übernehmen. Nach der Begrüßung bekommen alle Gäste von ihnen entweder einen Rosmarinzweig, wenn sie mit dem Brautpaar verwandt sind oder einen kleinen handgemachten Hochzeitsanstecker, wenn es sich um Freunde handelt.

Der Progoder ist eine Art Hochzeitslader. Er führt durch die Hochzeit, sagt an, wann welche Abläufe beginnen, wer sich beim Hochzeitszug wo aufstellen muss und er hält auch ab und an Reden. Progoder ist kein Beruf, sondern eine Berufung. Für jeden Progoder ist es eine Ehre, wenn ein Paar für ihre Hochzeit anfragt. In Berchtesgaden gibt es nur eine Handvoll Progoder. Und jetzt sagt der Progoder den ersten so richtig emotionalen Teil an: Den Frühdank.

Jetzt beim Frühdank, erläutert der Progoder, meist in Reimform, dass es nun für das junge Paar einen neuen Lebensabschnitt gibt. Nur die engsten Familienmitglieder werden zum Frühdank gebeten. Das Brautpaar darf sich bei seinen Eltern für alles Bisherige bedanken und sich von diesem Lebensabschnitt verabschieden. Der Frühdank ist ein wunderschöner Brauch und so wunderte es mich nicht, dass die Brautmutter mit glasigen Augen zurückkommt. Jetzt wird es ernst – schließlich beginnt nun für alle ein neuer Lebensabschnitt.

Der Progoder lässt uns nicht viel Zeit zum Nachdenken, denn jetzt beginnt die Aufstellung zum Hochzeitszug. Auch das hat seine Ordnung. Jeder bekommt seinen Platz zugewiesen. Am Anfang geht die Blaskapelle und am Ende die Brautmutter und die Bräutigammutter, denn die halten alles zusammen. Der Hochzeitszug ist lange und Marktschellenberg steht im wahrsten Sinne des Wortes still: Es hat sich nämlich schon ein beträchtlicher Stau gebildet. Doch alle warten brav, schließlich ist es etwas besonders, eine Bauernhochzeit zu sehen.

Die Musikkapelle Marktschellenberg spielt auch in der Kirche. Unter neuer weiblicher Leitung zeigt sie sich offen und modern. So wird am Ende Highland cathedral gespielt. Ich bekomme Gänsehaut und sogar meiner dreijährigen Tochter fällt auf: „Mama, des war aber schee“.

Ganz gerührt geht es jetzt ins Gasthaus. Nach dem Tischgebet wird das Hochzeitsmenü serviert und erst dann darf ich und alle anderen verheirateten Frauen das Röcki ausziehen und den Hut abnehmen.

Da Bernhard und Magdalena in Trachtenvereinen sind, werden nun zuerst die Ehrentänze aufgeführt und dann ist es endlich soweit: Der Kinderdank kommt.

Meine Zwei sind schon sehr aufgeregt. Gemeinsam gehen alle Kinder, von der Musi angeführt, zum Brauttisch. Dort überreichen sie kleine Geschenke und sagen ein Kindergedicht auf. Unsere Tochter bringt vor lauter Aufregung fast nichts heraus. Nur ein leises „Alles Gute!“ entkommt ihr. Unser Sohn ist schon älter und daher etwas mutiger, doch auch er ist so aufgeregt, dass er im Schnelltempo seinen Vers aufsagt:

„Jetzt steh i do, i kloana Mo,
der net recht dichten ko.
D‘Mama hat nachdacht,
und mir nu schnell an Vers gmacht.
Jetzt hörts ma zua, was i eich sog:
Das Brautpaar lebe hoch für olle Dog!“

Sehr erleichtert kommt er mit seinem Schleckzeugsackerl, ein liebevoll vorbereitetes Tütchen voller Süßigkeiten, zu mir und sagt „Mama, jetzt war i aber aufgeregt“.

Und dann wird die Braut aufgeregt, denn jetzt es geht zum langersehnten Brautstehlen. Die unverheirateten Buam fordern ein Dirndl zum Tanz auf. Auch die Braut wird von jemanden aufgefordert und verschwindet in der Menge. Die komplette Tanzgesellschaft verschwindet zum Weinstüberl, einem separat ausgewiesenen Raum. Da bin ich schon ein bisschen neidisch, dass ich, als Verheiratete, nicht mehr mitdarf.

Für uns gibt es nun Kuchen und die kleinen Mädls tanzen. Später holt der Progoder und der Brautführer die Gesellschaft vom Brautstehlen ab und dann wird der Bräutigam von den verheirateten Frauen entführt. Uhi, da muss der Bernhard ganz schön was mitmachen – es geht ziemlich wild zu…

Um ungefähr 20 Uhr ist der Dank. Die engste Familie muss sich wieder das Röcki anziehen. Der Progoder fasst die Erlebnisse vom Tag zusammen. Er erzählt lustige Anekdoten der Hochzeit und wünscht dem Brautpaar für ihr gemeinsames Eheleben nur das Beste.

Nun dürfen die Geschenke übergeben werden und Magdalena und Bernhard stoßen mit allen Gästen an. Die Kranzlleute sind behilflich beim Wein nachschenken und beim Verstauen der Geschenke.

Erst nach dem Dank dürfen die Brautleute zum ersten Mal an diesem Tag miteinander tanzen.

Kurz vor Mitternacht stellen sich die Gäste im Kreis auf und das Brautpaar wird aus dem Saal gespielt. Eine wunderschöne und lange Hochzeit geht zu Ende. Hundemüde aber glücklich über die vielen schönen Stunden gehe auch wir nach Hause. Und noch im Taxi schwärmt ein älterer Herr: „Gott sei Dank san wieder Bauernhochzeiten. Des san einfach de scheensten Hochzeiten, weil a jeder woas wos er doa muas und wos ma oziagt“ – ihm gefällt besonders, dass so schön durch die Abfolgen der verschiedenen Rituale geführt wird und dass sich alle in einheitlicher Tracht mit all ihren Feinheiten kleiden. Damit macht er der Bauernhochzeit das wohl schönste Kompliment auf Bayerisch

Danke Magdalena und Bernhard, dass wir dabei sein durften. Kathrin

Es ist gar nicht so einfach zu den Mundart-Ausdrücken eine einheitliche Schreibweise zu finden. Wir haben uns in diesem Beitrag hauptsächlich an die Schreibweise aus dem Buch „Berchtesgadener Mundart“ von Franz Rasp zum 60-jährigen Jubiläum der Vereinigten Weihnachtsschützen des Berchtesgadener Landes e. V. gehalten.

Ich bin am Obersalzberg groß geworden. Meine Eltern bieten Urlaub auf dem Bauernhof an und so bin ich mit vielen Kindern aus ganz Deutschland aufgewachsen. Klar, dass ich in der Tourismusbranche hängen blieb. Nach meiner Ausbildung in Salzburg ging es dann erstmal weg aus Berchtesgaden. Schnell musste ich feststellen, dass der berühmte Schriftsteller Ludwig Ganghofer mit seinem bekannten Zitat recht hatte: „Wen Gott lieb hat, den lässt er fallen ins Berchtesgadener Land“. Deshalb war ich bald wieder daheim. Seit ein paar Jahren sind wir stolze Eltern, was natürlich unser Leben komplett verändert hat. Meinem Mann und mir sind Werte und Traditionen wichtig und das versuchen wir auch unseren Kindern zu vermitteln. In meinen künftigen Blogbeiträgen möchte ich Euch in unsere Welt mit all seinen Besonderheiten in Berchtesgaden und Umgebung mitnehmen! Viel Spaß beim Lesen!

3 Kommentare

  • Ludger Bartels

    Ein lesenswerter Beitrag.
    Habe von1986 bis 2000 in Bischofswiesen gewohnt.
    War mit einem Dirndl aus Ettenberg verlobt.
    Habe mehrfach als Gast bei Bauernhochzeiten teilgenommen und auch bei den Vorbereitungen geholfen.
    Ein schützenswertes Brauchtum.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert