Kultur

Gräber mit Geschichte: Ein Spaziergang über den Alten Friedhof

1949 wird der Inhaber eines Werbeateliers in Berchtesgaden bescheiden bestattet: Nur ein kleines eisernes Grabkreuz, das heute zugewachsen ist, ziert seine letzte Ruhestätte.

Anfang des 20. Jahrhunderts zählt der hier begrabene Ludwig Hohlwein dagegen zu den ganz Großen seiner Branche. Er prägt die Plakatkunst und schafft bis heute bekannte Marken – wie den Mönch vom Franziskaner Weißbier. Er arbeitet nicht nur für Firmen wie Audi und BMW, sondern auch für den aufstrebenden Tourismusort Berchtesgaden. Populär macht ihn sein Stil mit klaren Formen und straffen Linien. Diesen setzt er schon ab 1932 für die NSDAP ein, der er 1933 beitritt. Bis 1945 erschafft er ideologisch aufgeladene Plakate für NS-Verbände wie die Volkswohlfahrt (NSV). 1944 flieht der Münchner Künstler vor den Luftangriffen nach Berchtesgaden und bezieht das Schloss Berchtesgaden. Nach 1945 muss er sich eine bescheidenere Bleibe suchen und erhält für einige Monate Berufsverbot. Bis zu seinem Tod arbeitet Hohlwein als Grafiker in Berchtesgaden und fühlt sich missachtet.

2018 beschäftigen sich Schüler der CJD Christopherusschule Berchtesgaden in Zusammenarbeit mit der Dokumentation Obersalzberg im Rahmen eines Seminars intensiv mit Themen rund um den Alten Friedhof Berchtesgaden. Sie entdecken überraschende, diskussionswürdige und vergessene Biografien, wie die von Ludwig Hohlwein.

Auch die Symbolik der Grabsteingestaltung betrachten die Schüler genau. Schwert und Eispickel – die Symbole auf dem Grabstein von Toni Kurz sind sinnbildlich für das Bergsteigen in den 1930er-Jahren.

Der Wettstreit junger Bergsteiger um die letzten unbegangenen Steilwände der Alpen wird vom NS-Regime zum rassischen und politischen Kampf hochgeschaukelt. In diesem Umfeld versuchen die Berchtesgadener Gebirgsjäger Toni Kurz und Anderl Hinterstoißer im Juli 1936 die Eiger-Nordwand zu durchklettern, an der bereits viele Bergsteiger dramatisch gescheitert sind. Auch der Versuch der Berchtesgadener endet tragisch: Während Anderl Hinterstoißer und zwei österreichische Bergsteiger bei einem Lawinenabgang tödlich verunglücken, hängt Toni Kurz noch mehrere Stunden schwerverletzt an einem Seil, bis er an Entkräftung stirbt.

Die Erstbegehung der Nordwand gelingt erst zwei Jahre später zwei Deutschen und zwei Österreichern, darunter Heinrich Harrer.

Ein weiterer Schwerpunkt der Zusammenarbeit von Schule und Dokumentation Obersalzberg ist der Umgang mit problematischen Gräbern, wie etwa jenem von Dietrich Eckart. „Vorkämpfer der Bewegung“ – so bezeichnen die Nationalsozialisten Hitlers Mentor Dietrich Eckart. Der Münchner Schriftsteller predigt einen radikalen Antisemitismus und ist unter anderem Chefredakteur des „Völkischen Beobachters“. 1923 versteckte er sich am Obersalzberg vor der Polizei. Eckart ist einer Vorladung vor Gericht nicht gefolgt. Im April besucht ihn Hitler und kommt so zum ersten Mal auf den Berg, der wenig später seine Wahlheimat wird. Im November 1923 verstirbt Dietrich Eckart und wird in Berchtesgaden beerdigt. Sein Grab entwickelt sich in der NS-Zeit zu einer Pilgerstätte. Auch nach 1945 bleibt das Grab erhalten und wird bis heute von einigen Ewiggestrigen und Neonazis aufgesucht. In den letzten Jahren wurde das Grab umgestaltet und die Frage debattiert: Wie soll mit dem Grab umgegangen werden?

Mauritia Mayer & Judit Platter: Zwei Namen auf einem Grabstein

Mauritia Mayer ist eine Pionierin des Tourismus in Berchtesgaden. 1877 erwirbt sie ein Bauernhaus und eröffnet die erste Pension am Obersalzberg. Nicht nur betreibt sie ihre Pension Moritz erfolgreich, auch viele Prominente sind zu Gast in Ihrem Haus. 1892 wird sie im Grab ihres Vaters am Alten Friedhof in Berchtesgaden bestattet.

Auf der Tafel steht noch ein zweiter Name: Judit Platter. Diesen Namen lässt der spätere Inhaber der Pension Moritz, Bruno Büchner, hinzugravieren, um auf die Hauptfigur im Roman „Zwei Menschen“ von Richard Voß zu verweisen.

Der Bestseller spielt zwar in Tirol, das lebende Vorbild war aber Mauritia Mayer. Voß ist oft Gast in ihrer Pension und hat sich wohl in die wesentlich ältere Besitzerin verliebt. Büchner nutzt dies: Er benennt die Pension in Platterhof um und bringt eine Replik des Grabsteins am Eingang an, wo sie bis zum Abriss des Gebäudes 2000 hängt. Heute ist die Replik ein Exponat der Ausstellung der Dokumentation Obersalzberg.

Wenn Ihr mehr über die Geschichte Berchtesgadens im Dritten Reich erfahren wollt, dann besucht die Dokumentation Obersalzberg. Wegen der Corona-bedingten Begrenzungen kann es zu Wartezeiten kommen. Informiert Euch am besten in unserem Ausflugs-Ticker über die aktuellen Wartezeiten um unnötiges In-der-Schlange-Stehen zu vermeiden.

Euer Sepp

Mein Name ist Sepp Wurm und ich arbeite seit Sommer 2010 im Tourismus Marketing. Als Social Media Enthusiast kümmere ich mich neben diversen anderen Kanälen auch um den Bergerlebnis Berchtesgaden Blog. Schwerpunkt meiner Blogbeiträge sind Berichte über meine Wanderungen und Bergtouren im Sommer, sowie über Skitouren im Winter. Meine Leidenschaft für die Berge bringe ich gerne in unseren Blog mit ein. Als waschechter Ramsauer „Bergbauernbua“ liegen mir zudem unsere Heimat und ihre Traditionen und Bräuche natürlich besonders am Herzen. Ich hoffe, diese Liebe zu unserem schönen Berchtesgaden spiegelt sich auch in meinen Blogbeiträgen wider.

7 Kommentare

  • Manuela Rapp

    Als Friedhofsgärtnerin liebe ich Friedhöfe. Besonders wenn sehr alte Grabsteine darauf sind. Diese erzählen immer noch eine Geschichte. Egal wo wir uns im Urlaub befinden, wobei wir immer in den Alpen Urlaub machen. Meist Berchtesgaden, Garmisch, Salzburger Land oder Allgäu muss ich Friedhöfe anschauen. Es ist auch wirklich Interessant wie z. B. Die Frau vom Bürgermeister mit Frau Bürgermeister betitelt wurde. Kenn ich auch noch aus meiner Kindheit. Heute unvorstellbar.

    LG aus dem schönen Schwarzwald

  • Thorsten Kaiser

    Ich maße mir nicht an ein Fachmann auf diesem Gebiet zu sein. Aber als begeisteter Mann der Berge und der Natur interessiere ich mich sehr für die Bergsteigerlegenden, die in den 20er und 30er Jahren für mich unglaublich beeindruckende Leistungen erbracht haben. Und in diesem Zusammenhang fiel mir natürlich auch der gelernte Schlosser Toni Kurz aus Berchtesgaden auf und ich fing an, so gut es eben nach all den Jahrzehnten ging, zu recherchieren. Toni Kurz begann sein Tourenbuch 1932 mit den extrem schweren Klettertouren. Bis dahin wird er sicher viele weitere Berge erklommen sein, davon ist auszugehen. 1934 trat er in die damalige Reichswehr ein, aus der im März 1935 die Wehrmacht hervorging. Toni Kurz und Anderl Hnterstoißer (aus Bad Reichenhall) sahen eine Chance beim Militär die Ausbildung zum Heeresbergführer zu durchlaufen. Eine Ausbildung, in der sie ihre private Leidenschaft und ihr Können optimal einbringen konnten. Oberst Konrad, ihr Kommandeur im GebJgRgt 100 (Bad Reichenhall), hat ihnen ausdrücklich untersagt den Eiger zu durchsteigen! Wenn ich also diese Puzzleteile zusammensetze, ist Toni Kurz für mich persönlich weder ein Nazi gewesen, noch wurde er aus Propagandagründen motiviert als erster die Eiger Nordwand zu schaffen. Es war für mich vielmehr der persönliche Ehrgeiz eines 23 jährigen Bergsteigers, dieses Abenteuer mit seinem Bergkameraden zu wagen – nochmal, entgegen des Befehls seines dienstlichen Vorgesetzten! Ich bin kein Berchtesgadener, sondern komme lediglich aufgrund dieser wunderschönen Landschaft und netten Menschen seit vielen Jahren immer wieder gerne dorthin. Der alte Friedhof, seine Gräber und hier das Grab von Toni Kurz sollte unbedingt erhalten bleiben! Es liegen Karabinerhaken von Bergsteigern an den Gräbern von Toni Kurz und Anderl Hinterstoißer und keine Reliquien Ewiggestriger! Ich würde mir persönlich sehr wünschen, wenn die Stadt Berchtesgaden das Grab von Toni Kurz als Ehrengrab übernehmen würde. So wie Bad Reichenhall es mit Anderl Hinterstoißers Grab gemacht hat! In diesem Zusammenhang möchte ich hier gerne den Aufruf machen, dass sich gerne Menschen bei mir melden können, die mein Wissen über Toni Kurz ergänzen wollen! Vielen Dank und herzliche Grüße!

  • Verena

    Vielen Dank für die interessanten Informationen zum historischen Friedhof von Berchtesgarden. Während meiner zahlreichen Wanderurlaube konnte ich bereits verschiedene Friedhöfe erkunden. Besonders neugierig machen mich die diversen Grabgestaltungen mit verschiedenen Blumen, Kerzen und Grabkränzen. Dies hat mich auch dazu veranlasst, mich mit der Frage zu befassen, wie ich mir wohl meine eigene Grabgestaltung eines Tages wünschen würde.

  • Lucy

    Mir gefällt, dass die Gräber alle sehr unterschiedlich und individuell gestaltet sind. Ich fände es eher traurig und dem Verstorbenen gegenüber sehr unpersönlich, wenn sein Grab sehr ähnlich oder identisch zu anderen eingerichtet werden würden. Den Friedhof im Berchtesgadener Land möchte ich eines Tages einmal besuchen. An freien Tagen und bei gutem Wetter unternehme ich gerne Spaziergänge zu nahegelegenen Friedhöfen und schaue mir die verschiedenen Graber, ihre Form, Farben, Größe und Gestaltungen an.

  • Jim

    Die Gestaltung eines Grabes ist eine persönliche und einfühlsame Aufgabe. Mit kreativen Elementen wie Blumen, Pflanzen und Steinen können Sie dem Grab eine individuelle Note verleihen. Es ist wichtig, den persönlichen Geschmack des Verstorbenen und der Hinterbliebenen zu berücksichtigen, um eine würdevolle und ansprechende Grabgestaltung zu schaffen.

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