Berge

Dem Watzmann so nah

Die sensationelle Aussicht vom Hirschwieskopf

Die Tiere wissen einfach, wo es am schönsten ist! Wo einst, als das Hochgebirge noch fast menschenleer war, mächtige Hirsche grasten, ist heute ein bei einheimischen Wanderern beliebter Gipfel mit Suchtpotential – der Hirschwieskopf. Direkt an den Gipfel auf 2.114 Metern Höhe schließt auf einem kleinen Hochplateau eine idyllische Wiese an, die jetzt, Mitte Juli, mit lieblichen Alpenblümchen und zarten Bergkräutern bewachsen ist. Mitten auf der „Hirschwies“ ist eine kreisrunde Suhle, nach den Regenfällen der letzten Tage mit schlammig-braunem Wasser gefüllt, eingebettet. Ein Paradies für die scheuen Gemsen, die ab und zu hierherkommen – und für uns Wanderer.

Wer einmal auf dem Hirschwieskopf steht, weißt, was der Ausdruck „sensationelle Aussicht“ wirklich bedeutet. Das Watzmann-Massiv steht mit seiner Ansicht von Süden aus felsig-schroff und scheinbar zum Greifen nahe direkt vor einem – imposant und respekteinflößend. Unten leuchtet der Königssee wie ein Juwel herauf. Drüben verliert sich der Blick im Steinernen Meer. Und die Aussicht ins Wimbachgries oder hinüber Richtung Hundstod mit ihrem felsgrau, latschengrün und weiß-blau ist so kitschig schön, dass die Überschrift nur „bayerische Alpen“ heißen kann.

Der Zustieg ist lang, aber technisch einfach. Durch die Wimbachklamm geht es am Wimbachschloss vorbei, über die Schuttstormweite des Wimbachgries‘ bis zur Wimbachgrieshütte. Von dort steigt der Weg langsam, aber stetig an. Mit jedem Höhenmeter verändert sich der Blick zurück auf das Gries – wunderschön mit seinen Fichten- und Latschenbewuchs, den Schuttströmen und den begrenzenden Berggipfeln.

Nach kurzer Zeit erreichen wir den Trischübel. Als wunderschöner Hochgebirgspass liegt er auf 1.774 Metern Höhe. Wenn Trischübel, wirklich ein anderes Wort für Türschwelle war, passt der Name gleich in zweierlei Hinsichten: Der Pass ist die Nahtstelle zwischen Watzmann und Steinernem Meer einerseits und zwischen Wimbach- und Königsseetal andererseits. Ein wenig weiter oben entdecken wir inmitten der Latschen die komplett mit Holzschindeln verkleidete Diensthütte – geht es noch idyllischer? Der Steig zum Hirschwieskopf ist steil, aber die Aussicht oben, belohnt für alle Anstrengung.

Sattsehen geht hier gar nicht und deshalb müssen wir uns der Vernunft wegen losreißen, von diesem ganz außergewöhnlichen Gipfel. Denn es wartet noch ein langer Abstieg auf uns. An den Schildern, die nach Süden Richtung Hundstod, Ingolstädter Haus und Kärlingerhaus zeigen, halten wir kurz inne. Wir wollen über die Sigeretplatte nach St. Bartholomä absteigen. Diese Route ist mit dreieinhalb Stunden angeschrieben. Jetzt, in der Hochsaison, legt das letzte Schiff um 18:00 Uhr ab. Und das will nicht verpasst werden, denn sonst gibt es an diesem Tag keinen Weg zurück nach Hause. Nach kurzer Rechnerei starten wir los: Das schaffen wir.

Wie im Märchen – das geht mir nicht aus dem Kopf, als wir an alten Steinmauern, verfallenen Almen, wild überwucherten Steinabbrüchen und kleinen Bächlein vorbei absteigen. Durch das dichte Laub der Bäume öffnet sich der Blick auf die Zickzacklinie der Saugasse drüben – mit ihren 36 Kehren und 400 Metern Höhenunterschied berühmt-berüchtigte Verbindung zum Funtensee.

Wenig später kriege ich ein bisschen Herzklopfen. Der Durchstieg der Sigeretplatte mit Seilversicherung, Holzstufen und in den Fels gesprengten, schmalen Steig direkt am Abgrund erfordert Trittsicherheit und einen kühlen Kopf.

Sobald das geschafft ist, wird es wieder romantisch. Wir nähern uns der alten Schrainbachalm. Das Wasser des Schrainbachs plätschert so süß und frisch durch die satt grüne Wiese, dass wir uns am Liebsten hineinlegen wollen.

Aber ein Blick auf die Uhr mahnt uns, dass das letzte Schiff nicht auf uns warten wird. Das restliche Stück zieht sich in Kehren zum Schrainbachfall hinunter, aber plötzlich ist das Wasser des Königssees schon direkt in Reichweite und wir erreichen das Eisbachgries, das wie ein verlockender Sandstrand in der Karibik daliegt. Nun geht es direkt am Seeufer eben hinüber. Die Halbinsel Hirschau mit ihrem Wahrzeichen, der Wallfahrtskirche St. Bartholomä, liegt schon ganz still da. Während hier die Abendruhe eingekehrt ist, bilden sich vor und im Bootshaus noch lange Schlangen der Tagesausflügler und Wanderer, die alle noch aufs Schiff wollen.

So bleibt noch Zeit, die glühend heiß gelaufenen Füße in den Königssee zu halten und insgeheim wundere ich mich schmunzelnd, dass keine Dampfwolke aufsteigt. Im allerletzten Schiff dieses wunderschönen Sommertages legen wir ab und senden auf der ganzen Rückfahrt sehnsüchtige Blicke zurück – in diese umwerfende Berchtesgadener Bergwelt.

Details zur Tour

Die Länge der Tour darf nicht unterschätzt werden. Die Zeitangaben sind geschätzt.

  • Wimbachbrücke – Wimbachgrieshütte: Ca. 3,5 Stunden
  • Wimbachgrieshütte – Trischübel: Ca. 1,5 Stunden
  • Trischübel – Hirschwieskopf und zurück: Ca. 2,5 Stunden
  • Trischübel – St. Bartholomä: 3,5 Stunden

Während der Hirschwieskopf technisch als eine leichte bis mittelschwere Tour einzustufen ist, ist der Abstieg über die Sigeretplatte zum Königssee schwer und erfordert Bergerfahrung, technische Versiertheit und Trittsicherheit.

Ich bin hier aufgewachsen und nach vielen Jahren im außereuropäischen Ausland fast reumütig zurückgekehrt: So schön und spannend es in der großen weiten Welt da draußen auch ist – dahoam in Berchtesgaden ist‘s doch einfach am schönsten! 2014 habe ich angefangen im Tourismus in Berchtesgaden zu arbeiten. Seit Januar 2021 bin ich in der Abteilung Destinationsmanagent im Zweckverband Bergerlebnis Berchtesgaden tätig. Meine kleine Tochter trat 2016 in mein Leben. Mit ihr bin ich viel in den Bergen unterwegs. Sport und Bewegung ist für Kinder so wichtig! Wir beide lieben die Natur und ihr Schutz liegt uns sehr am Herzen. Mit der faszinierenden Tier- und Pflanzenwelt, besonders im Nationalpark Berchtesgaden, gibt es auf unseren Touren jedes Mal aufs Neue unvergessliche Erlebnisse. Schreiben tu ich für mein Leben gern und so freue ich mich, die werten Leserinnen und Leser des Berchtesgaden Blogs zukünftig mit Portraits von besonderen Menschen, Berichten von unseren Wanderungen und kindlichen Gedanken zum Leben in den Berchtesgadener Bergen unterhalten zu dürfen!

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