Menschen

Bergbrenner Max Irlinger

Handwerkskunst und Tradition am Funtensee

Einen einzigen Bergbrenner gibt es in Deutschland: Max Irlinger. Für die Enzinabrennerei Grassl stellt er aus den Wurzeln von Enzian und Meisterwurz edle Hochprozentige her. Und zwar direkt in den Brennhütten in den Berchtesgadener Alpen. Die entlegenste dieser Brennhütten steht am Funtensee. Dort ist der Bergbrenner zurzeit und brennt Meisterwurz.

Der Weg zur Arbeit für Max Irlinger ist zweifellos einer der schönsten, aber auch einer der herausforderndsten Arbeitswege überhaupt. Der Beginn ist gemächlich und idyllisch: Er fährt mit dem Boot über den malerischen Königssee bis nach St. Bartholomä und geht von dort etwa einen Kilometer am Ufer entlang zum Eisbach.

Doch hier beginnt der eigentliche Aufstieg. Steile und stellenweise betonierte Serpentinen führen ihn durch den Wald oberhalb des Königssees. Der Weg überquert den Schrainbach oberhalb des Wasserfalls und führt steil hinauf an dessen Südseite entlang. Es geht entlang des klammartigen Bachs leicht abfallend zur ehemaligen Schrainbachalm.

Max Irlinger bewältigt diese Strecke jede Woche. Um Zeit mit seiner Familie zu verbringen, steigt er am Ende der Woche wieder hinab und startet am Montagmorgen erneut seinen Aufstieg. Zusätzlich zu seiner Tätigkeit als Bergbrenner engagiert sich Max als Mitglied der Königsseer Weihnachtsschützen und nimmt an traditionellen Veranstaltungen wie dem Trachten- und Schützenjahrtag teil, bei dem er am vergangenen Sonntag geschossen hat.

Eine der berühmtesten und berüchtigtsten Etappen auf seinem Weg ist die Saugasse. Diese Schneise mit 32 Serpentinen ermöglicht es, zwischen dem Simetsberg und Gjaidkopf sowie Schneiber voranzukommen.

Viele Bergsteiger verfluchen diese Passage, aber Max zaubert sie ein Lächeln auf sein Gesicht. Er weiß, dass die Anstrengung mit einem schnellen Höhengewinn belohnt wird. Etwa 30 Minuten benötigt er für die komplette Saugasse und gewinnt dabei 400 Meter an Höhe.

Nach der Saugasse ändert sich die Landschaft. Üppige Pflanzen wie Almrausch, Berg-Flockenblume und schwarze Akeleien säumen den Weg durch das Tal der ehemaligen Oberlahneralm.

Das folgende Wegstück wird als „Kleine Saugasse“ bezeichnet, ist jedoch wesentlich moderater. Auf einer Länge von einem halben Kilometer überwindet er nochmals 100 Höhenmeter. Von hier aus genießt Max den atemberaubenden Blick hinüber zum Watzmann.

Der höchste Punkt auf Max‘ Arbeitsweg ist erreicht. Von nun an geht es leicht bergab in Richtung Kärlingerhaus. Das Pfeifen der Murmeltiere begleitet ihn ständig, und mehrere dieser putzigen Nager huschen über die grasbewachsenen Matten. In unmittelbarer Nähe des Weges schaut ein neugieriges junges Mankei aus seinem Bau.

Nach einer weiteren Kurve kommt das Kärlingerhaus in Sicht.

Die Brennhütte der Enziabrennerei Grassl befindet sich südlich des Kärlingerhauses, nur wenige Meter vom Funtensee entfernt.

Max schnappt sich eine Sense und sorgt für Ordnung vor seiner Hütte.

In den letzten Wochen war Max nicht allein am Funtensee. Sechs Wurzelgraber waren eine Woche lang vor Ort und haben rund um die Brennhütte die Rohstoffe für den Schnaps aus dem Boden geholt. Um die Bestände zu schonen, ernten die Wurzelgraber nur alle sieben bis zehn Jahre im gleichen Gebiet. Dieses System existiert bereits seit über 300 Jahren, als Fürstpropst Joseph Clemens von Bayern den Grassls im Jahr 1692 das Recht erteilte, Enzianwurzeln auszugraben und Wacholderbeeren zu sammeln. Seitdem schickt die Enzianbrennerei Grassl einen Schnapsbrenner in die Berge über dem Königssee. In unwegsamem Gelände werden die fein verästelten Wurzeln von Enzian, Meisterwurz und Bärwurz, die bis zu zwei Meter lang und einige Kilo schwer sind, aus dem Boden gehackt. Aufgrund der schwierigen Transportbedingungen hat Grassl mitten im Gebirge Brennereien errichtet. Das Erntegebiet erstreckt sich von der Enzianhütte am Rossfeld über die drei Brennhütten im Nationalpark Berchtesgaden (Priesbergalm, Wasseralm und Funtensee) bis zur Wurzelgraberhütte auf der Kallbrunnalm.

Max entfacht ein Feuer unter der Brennblase und berührt diese immer wieder, während sie sich langsam erhitzt. Die Decke in der Brennhütte ist niedrig und der Arbeitsplatz beengt. In der Brennblase schwimmen sieben Stoffsäcke, gefüllt mit den fein gehackten Wurzeln der Meisterwurz. Max erklärt: „Es ist im Grunde wie bei einem Teebeutel, die ätherischen Öle der Wurzeln in den Säckchen geben den Geschmack, der Alkohol ist das Teewasser.

Es werden etwa zwei Stunden vergehen, bis die erste Flüssigkeit aus einem dünnen Kupferrohr in einen Metalleimer tropft. Anfangs nur ein wenig, dann ein klarer dünner Strahl – der Meisterwurzbrand. Max Irlinger kostet ihn immer wieder, das ist seine Qualitätskontrolle. Ein Brennvorgang dauert etwa drei Stunden, und Max schafft an einem Tag zwei bis drei Brände. Dabei darf er immer nur von neun bis 15 Uhr brennen.

Der Erfolg eines Brennvorgangs hängt von vielen Faktoren ab: Wie ist das Mischungsverhältnis von Wasser und Reinalkohol? Wie viele Kilo der kleingehackten Wurzeln kommen in einen Sack? Wie schnell erwärmt sich die Brennblase? Max verrät diese Betriebsgeheimnisse natürlich nicht. Doch selbst wenn, fehlt immer noch das Wichtigste für einen guten Meisterwurz: das Gespür und Bauchgefühl des Bergbrenners.

Die Meisterwurz galt Ende des Mittelalters als „remedium divinum“- als göttliches Allheilmittel. Ob Vergiftung, Epilepsie, Erkältung, oder Zahnschmerz, zur Wundbehandlung oder bei Magenbeschwerden: gegen so gut wie alles wurde Meisterwurz verwendet. Es gab ihn als Pille, Pulver, Teeaufguss, Abkochung, Tinktur, Badezusatz, Salbe, oder zum Räuchern. Heute ist der Meisterwurz selten geworden, lediglich als Schnaps ist er noch verbreitet.

Ob der Bergbrenner gerade am Funtensee ist, erkennt Ihr übrigens an der gehissten Enzianbrennerei Grassl Fahne an der Brennhütte.

Max wird dieses Jahr noch bis Ende Juli am Funtensee sein, danach könnt Ihr ihn an Brennhütte auf der Priesbergalm treffen.

Mein Name ist Sepp Wurm und ich arbeite seit Sommer 2010 im Tourismus Marketing. Als Social Media Enthusiast kümmere ich mich neben diversen anderen Kanälen auch um den Bergerlebnis Berchtesgaden Blog. Schwerpunkt meiner Blogbeiträge sind Berichte über meine Wanderungen und Bergtouren im Sommer, sowie über Skitouren im Winter. Meine Leidenschaft für die Berge bringe ich gerne in unseren Blog mit ein. Als waschechter Ramsauer „Bergbauernbua“ liegen mir zudem unsere Heimat und ihre Traditionen und Bräuche natürlich besonders am Herzen. Ich hoffe, diese Liebe zu unserem schönen Berchtesgaden spiegelt sich auch in meinen Blogbeiträgen wider.

3 Kommentare

  • Wolfgang Rossbach

    Wieder ein schöner eindrücklicher Bericht über immer noch lebendiges, traditionelles Handwerk.
    Es würde mich mal interessieren, weshalb nur in der Zeit von 9 bis 15 Uhr gebrannt werden darf?
    Während der Prohibition in den USA (1920-1933) nannte man derartige Erzeugnisse „moonshine“, was bereits ein wenig augenzwinkernd auf die Produktionszeiten hindeutet. Die Tageszeit sollte also eigentlich keine Rolle für den Brennvorgang spielen. Könnte mir bestenfalls vorstellen, dass die gut nutzbare Tageslichtzeit am Funtensee ungefähr dem genannten Zeitraum entspricht. Wie ist denn die Auflösung dieses Rätsels?
    Beste Grüße
    Wolfgang

  • Cornelia Dölling

    ich war an die 30 jahre mehrmals in BGD in urlaub zum wandern, nur leider meine ersehnte tour zum funtensee habe ich nicht mehr geschafft und darüber bin ich sehr traurig. Grassl enzian, fürst probst und so einige andere sind mir sehr wohl bekannt. grassl enzian bekomme ich hier auch, alles andere muss ich mir schicken lassen.
    alles gute dem bergbrenner. gr. cornelia dölling

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