Kultur

Rauhnächte in Berchtesgaden

Ein ursprünglich bäuerlicher Brauch, der sich in Berchtesgaden bis heute erhalten hat, ist das Räuchern und Beten in den Rauhnächten. Drei dieser mystischen Nächte gibt es in unserer Tradition. Der Heilige Abend, die Nacht vor Silvester und die Nacht vom fünften auf den sechsten Januar. Die erste Rauhnacht, die Thomasnacht am 20. und 21. Dezember, spielt im Berchtesgadener Brauchtum keine Rolle.

Heiligabend in alter Zeit: Rauhtiache und Mettenkerz‘

Ein Blick in Rudolf Kriss‘ Standardwerk „Sitte und Brauch im Berchtesgadener Land“ und in andere Quellen zeigt uns, wie der Heilige Abend vor 100 Jahren ablief: In der Bauernstube wurde ein kleines Räuchertischchen aufgestellt, das mit dem „Rauhtiache“ bedeckt war: Das Rauhtiache oder Rauhnachttuch ist nur im Berchtesgadener Land bekannt, nur wenige original gestickte Tücher haben sich erhalten. Gestickte Tücher besaßen die Berchtesgadener kaum, lediglich einige Hausaltartücher zu den kirchlichen Festen des Jahres: Tauftuch, Versehtuch und Weihtuch. Das „Rautiache“ ist mit IHS bestickt: Das lateinische „Iesus Hominum Salvator“ wird volkstümlich als „Jesus, Heiland, Seligmacher“ gedeutet. Auf dem Tisch stehen auch ein Weihwassergefäß, Rauchwecken (gewürztes Schwarzbrotgebäck in Form eines Fatschenkindes), eine Mettenkerze, Weihrauch und Speik (Myrrheersatz aus Alpenbaldrian oder Speiknarde). Die Mägde kümmern sich um den Stall, während die Bäuerin Rohrnudeln vorbereitet. Dann wird gemeinsam gegessen!

Während die Frauen danach den Rosenkranz beten, geht der Bauer mit den Männern das Haus ausräuchern, um es vor bösen Einflüssen und Unglück zu schützen. Dazu wird eine Rauchpfanne verwendet und es werden Gebete gesprochen. Bei diesem Ritual werden alle Räume des Hauses betreten und mit Weihwasser besprengt. Der Bauer räuchert das Feld und besprengt es mit Weihwasser, um den Boden zu segnen. Auch Bienenstöcke und Obstbäume werden geräuchert, man spricht vom „Impwecken“ oder „Baumwecken“. Danach geht er zu den Frauen und betet mit ihnen drei Rosenkränze.

Nun kommt der Nikolaus ins Haus. Früher brachte der heilige Mann nur Äpfel, Nüsse und Berchtesgadener Holzspielzeug, seit der Einführung des Christbaumes bringt er den bereits geschmückten Baum ins Haus.

Nach dem Nikolausbesuch stärkt man sich mit Bier und Kletzenbrot, Fleisch gibt es nicht, denn der Heilige Abend ist ein Fasttag. Inzwischen ist es Zeit für die Christmette. Unterwegs wird mit Böllern geschossen. Eine Person, die Mettengammerin, hütet das Haus. Sie kocht derweil die Mettensuppe, eine Schweinssuppe, in der Kopf, Ohren und Füße des frisch geschlachteten Schweins gekocht werden. In die Suppe werden gebratene Brotwürfel („bahte Schnittelsuppn“) gegeben.

Auf dem Heimweg von der Christmette wird nochmals geschossen und vor dem heimischen Hof ein weiterer Schuss abgegeben, der als Morgen- oder Weihnachtsgruß an den Nachbarn gilt und von diesem erwidert wird. Den Abschluss des Fasttages bildet das gemeinsame Essen der Mettensuppe. Nun hat der erste Weihnachtstag begonnen.

Die Rauhnächte heute

In dieser Ausführlichkeit wird der Brauch heute nicht mehr gefeiert. Einzig im Berchtesgadener Ortsteil Maria Gern hat sich der alte Brauch des Nikolausbesuches am Heiligen Abend erhalten. Die jahrhundertealte Tradition des Ausräucherns von Haus, Hof und Stall sowie des Rosenkranzgebetes wird jedoch heute noch von vielen Einheimischen im gesamten Berchtesgadener Tal gepflegt: Mensch und Vieh sollen durch Gebet, Weihwasser und Weihrauch vor Krankheiten geschützt und gesegnet werden.

Die Silvesternacht ist die zweite Rauchnacht. Wie bei der ersten am Heiligen Abend räuchern und beten die Bauern – diesmal aber nur zwei Rosenkränze – und zünden die Mettenkerze an. Auch die drei Rauchböller werden abgefeuert. Der Dreikönigstag ist die dritte Rauhnacht. Das Ritual ist das gleiche wie in den ersten beiden Nächten, nur dass man sich beim Hausgebet auf einen Rosenkranz beschränkt.

Weihrauchstandl beim Berchtesgadener Advent

Alles, was man zum Räuchern braucht, gibt es beim Berchtesgadener Advent. An mehreren Ständen auf dem Christkindlmarkt gibt es nicht nur Weihrauch in unzähligen Farben und Mischungen, sondern auch das passende Zubehör, um dem luftgetrockneten Harz seinen ätherischen Duft und damit seine wohltuende Wirkung zu entlocken.

Martin Hallinger betreibt neben seinem Honigstand in der Metzgergasse das Weihrauchstandl am Schlossplatz.

Nicht wegzudenken vom Berchtesgadener Advent ist das Krippenstandl von Andreas Koll in der Metzgergasse, bei dem es neben Krippenfiguren alles rund ums Räuchern gibt.


Am Christkindlstandl von Familie Jäkel gibt es Räucherzubehör wie Pfannen und andere Räucherutensilien.

Und auch beim Seifenkistei am Marktplatz gibt es Weihrauch und Räucherzubehör.

Quellen:

  • Rudolf Kriss: Sitte und Brauch im Berchtesgadener Land, Erstauflage 1947
  • Anja Holm: „Das Rauhtiache“ im Berchtesgadener Heimatkalender, 2009

Mein Name ist Sepp Wurm und ich arbeite seit Sommer 2010 im Tourismus Marketing. Als Social Media Enthusiast kümmere ich mich neben diversen anderen Kanälen auch um den Bergerlebnis Berchtesgaden Blog. Schwerpunkt meiner Blogbeiträge sind Berichte über meine Wanderungen und Bergtouren im Sommer, sowie über Skitouren im Winter. Meine Leidenschaft für die Berge bringe ich gerne in unseren Blog mit ein. Als waschechter Ramsauer „Bergbauernbua“ liegen mir zudem unsere Heimat und ihre Traditionen und Bräuche natürlich besonders am Herzen. Ich hoffe, diese Liebe zu unserem schönen Berchtesgaden spiegelt sich auch in meinen Blogbeiträgen wider.

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